Rechtsanwalt Holger Hembach

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20. Februar 2018 by Holger Hembach Leave a Comment

Kritik an der neuen spanischen Richterin am EGMR

Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte üben ein einflussreiches Amt aus. Ihre Urteile können nicht nur dafür sorgen, dass Verfahren wieder aufgenommen werden und Beschwerdeführer Entschädigungen erhalten. Sie haben oft auch Auswirkungen auf Gesetze und politische Entscheidungen in den Vertragsstaaten der EMRK.

Dennoch stößt die Wahl von neuen Richtern am EGMR in der Regel nur auf geringe öffentliche Aufmerksamkeit. Bei der Wahl der spanischen Richterin, María Elósegui, die im Januar erfolgte, ist das anders (jeder der 47 Staaten, die die EMRK unterzeichnet haben, entsendet einen Richter an den Gerichtshof). Das liegt nicht in erster Linie daran, dass sie die erste weibliche Richterin ist, die für Spanien an den Gerichtshof gewählt worden ist. Es hat auch nichts damit zu tun, dass der frühere Präsident des spanischen Verfassungsgerichts, der als Favorit gehandelt worden war, scheiterte, weil er im Vorstellungsgespräche nicht in der Lage war, Fragen in einer der Amtssprachen des Gerichtshofs zu beantworten. Für Aufsehen sorgte vielmehr, dass Elósegui durch Äußerungen aufgefallen waren, die nicht zu den Positionen passen, die der Gerichthof vertritt.

So scheint sie in einem Interview Homosexualität mit der Entwicklung von Krankheiten zu verknüpfen, wie die spanische Zeitung El Diario berichtet. Sie zitiert aus einem Interview mit Elósegui, das auf einer Webseite veröffentlicht wurde, die der katholischen Organisation Opus Die zugerechnet wird. Danach habe Elósegui gesagt: „Für viele sind unser biologisches Geschlecht und Gender, also die soziale Rolle, nicht miteinander verknüpft, so dass wir unsere sexuelle Identität mit dem Rücken zu unserem biologischen Geschlecht konstruieren können. In meinem Buch sehen wir, dass diese Konstruktion der Sexualität möglich ist, dank der menschlichen Freiheit und weil Menschen nicht durch die Biologie vorherbestimmt sind. Aber das wir das tun können (….) bedeutet nicht, dass die Balance positiv ist. Es wird Einfluss auf die Konstruktion der Persönlichkeit haben, so dass das Ergebnis nicht unwichtig ist. Diejenigen, die ihr Sexualverhalten entsprechend ihrem biologischen Geschlecht konstruieren und ausüben, werden ein ausgeglichenes und gesundes Verhalten entwickeln. Diejenigen, die darauf bestehen, gegen ihre Biologie anzugehen, werden bestimmte Krankheiten entwickeln. Das ist klar.“

Sie befürwortet offenbar auch die Anwendung „psychologischer und psychiatrischer Therapien“ für Transsexuelle.

Der Richterin wird daneben vorgeworfen, ihre Rolle bei der Erarbeitung des spanischen Anti-Diskriminierungsgesetzes übertrieben zu haben.

Hier geht es zu einem Artikel von Rainer Wandler in der “taz” zu dem Thema.

Hier in ein Beitrag in der “Frankfurter Rundschau”

Hier der Beitrag in El Diario

Filed Under: Allgemein Tagged With: EGMR, Richter, Spanien

29. Januar 2018 by Holger Hembach Leave a Comment

Berücksichtigung vorläufig eingestellter Tatvorwürfe bei der Strafzumessung – Verstoß gegen die Unschuldsvermutung? Bikas gegen Deutschland

Die Strafprozessordnung ermöglicht es, Verfahren (vorläufig) einzustellen, wenn dem Beschuldigten wegen anderer Taten bereits eine erhebliche Strafe droht. Das kann im Ermittlungsverfahren geschehen, aber auch, wenn die Hauptverhandlung bereits begonnen hat. Dadurch sollen Verfahren beschleunigt und entschlackt werden. Nach deutscher Rechtsprechung dürfen Taten, die Gegenstand der eingestellten Verfahren waren, aber dennoch bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, wenn es wegen der anderen Tat zur Verurteilung komme.

Es wird also gegen einen Angeklagten wegen der Taten A, B und C verhandelt. Das Gericht stellt das Verfahren wegen des Tatvorwurfs C ein. Der Angeklagte wird wegen der Taten A und B verurteilt. Bei der Bemessung der Strafe wegen dieser Taten berücksichtigt das Gericht dann noch, dass der Angeklagte ja auch noch die Tat C begangen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt das nicht gegen die Unschuldsvermutung, sofern das Gericht die Taten im Einklang mit der Strafprozessordnung festgestellt hat und sie zur Überzeugung des Tatgerichts feststehen. Dagegen reicht es nicht aus, wenn das Gericht lediglich den Verdacht hat, dass der Angeklagte die weiteren Taten begangen hat.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich nun im Fall Bikas gegen Deutschland mit der Frage befasst, ob dies im Einklang mit der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK steht.

Das Landgericht München hatte ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen sexueller Nötigung in mindestens 300 Fällen geführt. Nach 17 Hauptverhandlungstagen mit Beweisaufnahme erließ das Landgericht einen Beschluss, mit dem es das Verfahren wegen eines Großteilts der Taten einstellte, weil der Angeklagte wegen der anderen Taten eine erhebliche Strafe zu erwarten habe. Es beschränkte das Verfahren auf vier Vorfälle.

Das Gericht wies den (damals) Angeklagten darauf hin, dass es auch die eingestellten Tatvorwürfe bei der Strafzumessung berücksichtigen werde.

Am gleich Tag verurteilt das Landgericht den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in vier Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilte. In den Urteilsgründen führte es aus, es habe die Verfahren zwar wegen zahlreicher Vorwürfe eingestellt. Es sei aber überzeugt, dass der Angeklagte in mindestens fünfzig Fällen Taten begangen habe, die denen vergleichbar seien, deretwegen er nun verurteilt werde. Das Gericht wertete das im Urteil als strafschärfend.

Der Beschwerdeführer legte erfolglos Revision ein und erhob Verfassungsbeschwerde. Danach legte er eine Beschwerde beim EGMR ein. Er machte geltend, die Berücksichtigung von Taten zu seinen Lasten, deretwegen er nicht verurteilt worden sei, verstoße gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK.

Der Gerichtshof prüfte zunächst, ob Art. 6 Abs. 2 auf den Fall noch anwendbar sei. Deutschland hatte dazu in seiner Stellungnahme zu der Beschwerde geltend gemacht, die Unschuldsvermutung gelte nicht mehr. Das Gericht habe sich zu der Zeit der Einstellung bereits die Überzeugung gebildet, dass der Beschwerdeführer die fünfzig weiteren Taten, die es bei der Strafzumessung berücksichtigt habe, begangen habe.

Der EGMR wies dieses Argument zurück. Er führte aus, aus einer Reihe seiner Entscheidungen ergebe sich, dass die Unschuldsvermutung bis zur endgültigen Verurteilung anwendbar sei. Der Beschwerdeführer sei wegen der berücksichtigten Tagen angeklagt gewesen. Er sei auch darauf hingewiesen worden, dass diese Taten zu seinen Lasten berücksichtigt werden könnten.  Daher habe er immer noch unter einer „strafrechtlichen Anklage“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 gestanden, so dass die Unschuldsvermutung anwendbar sei.

Der Gerichtshof verwies darauf, dass die Unschuldsvermutung nach seiner Rechtsprechung zwei Aspekte habe: Einerseits beinhalte sie, bestimmte prozessuale Garantien wie das Gebot, dass Gerichte unvoreingenommen sein müssten und verpflichtet seien, das Verfahren ohne vorgefasste Meinungen zu führen.

Andererseits folge aus Art. 6 Abs. 2 auch, dass Personen nicht als schuldig behandelt werden dürften, nachdem sie freigesprochen oder das Verfahren gegen sie eingestellt worden sei. Hier sei aber zwischen Freisprüchen und Einstellungen zu unterscheiden. Nach erfolgtem Freispruch sei es nicht zulässig, wenn staatliche Stellen noch den Verdacht äußerten, dass der Betroffene schuldig sei. Dagegen sei nach einer Einstellung des Verfahrens nur eine gerichtliche Entscheidung unzulässig, aus der sich ergebe, dass der Betroffene schuldig sei.

Der EGMR wies darauf hin, dass er bereits Fälle entschieden habe, in denen Bewährungen wegen einer neuen Tat widerrufen worden seien, ohne dass der Betroffene wegen dieser Tat verurteilt worden sei. In diesen Fällen habe er eine Verletzung von Art. 6 EMRK festgestellt. Der vorliegende Fall liege aber anders. Im vorliegenden Fall seien Tatsachenfeststellungen vor dem Gericht getroffen worden, dass über die Schuld entschieden habe. Auch seien dies Aussagen durch das Gericht in einem Urteil getroffen worden, das sich mit einer Reihe gleichgelagerter Fälle auseinandersetze.

Man müsse dem prozessualen Kontext der Aussage des Gerichtes im Blick behalten. Die Einstellung sei am letzten Tag der Beweisaufnahme erfolgt, nachdem 17 Tage lang Beweis erhoben worden sei. Das Gericht habe mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass es überzeugt sei, dass der Beschwerdeführer die Taten begangen habe. Es habe hohe Beweisstandards nach deutschem Recht angewandt. Es obliege den einzelnen Vertragsstaaten der EMRK, Beweisstandards zu definieren. Das Gericht haben den in Deutschland geltenden Standards entsprochen.

Auch sei zu berücksichtigen, dass Staaten nach der EMRK auf verpflichtet seien, effektive Maßnahmen gegen Sexualdelikte zu ergreifen.

Nach alledem habe es nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen, die eingestellten Taten zu Lasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Der Gerichtshof stellte keine Verletzung vom Art. 6 EMRK fest.

Bikas gegen Deutschland, Beschwerde Nr. 76607/13, Urteil vom 25.01.2018

 

 

 

Filed Under: Allgemein Tagged With: Art. 6 EMRK, Deutschland, Recht auf ein faires Verfahren, Unschuldsvermutung

14. Januar 2018 by Holger Hembach Leave a Comment

Afrikanische Menschenrechtskommission fordert Anvil Mining zu Schadensersatz wegen Unterstützung von Menschenrechtsverletzungen im Kongo auf

Die Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte hat das Unternehmen Anvil Mining aufgefordert, sich an den Zahlungen für Schadensersatz und Wiedergutmachung an die Opfer eines Massakers in der Demokratischen Republik Kongo zu beteiligen.

Die Anvil Mining ist ein Unternehmen, das in Australien und Kanada registriert ist. Es ist im Kongo im Bereich des Abbaus von Kupfer tätig. Im Jahre 2004 besetzte eine kleine Gruppe kurzfristig die Stadt Kilawa im Osten des Kongo. Die Gruppe hatte ca. 10 Mitglieder. Diese waren nur leicht bewaffnet und  gaben an, Mitglieder einer Rebellengruppe zu sein, deren Name bis dahin unbekannt gewesen war.  Anvil betrieb eine Kupfermine in der Nähe der Stadt Kilawa

Die kongolesische Armee (FARDC) griff die Stadt an, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Dabei übte die 62. Brigade der Armee, die den Angriff durchführte, exzessive Gewalt aus. 73 Menschen verloren ihr Leben, über 20 davon durch außergerichtliche Exekutionen. Es kam zu Plünderungen und Freiheitsberaubungen.

Nach Aussagen von Augenzeugen wurden die Soldaten der kongolesischen Armee mit Fahrzeugen der Anvil Mining in das Gebiet gebracht. Das Unternehmen bestätigte das später, unter anderem im Rahmen einer Untersuchung des Vorfalls durch die UN Mission in der Demokratischen Republik Kongo (MONUC).

Die Zeugen berichteten auch, dass Fahrzeuge von Anvil Mining benutzt worden seien, um Leichen und geplünderte Güter abzutransportieren. Das Unternehmen bestritt dies.

Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen mehrere Personen wegen Verstößen gegen internationales Recht. Unter den Angeklagten waren neben Soldaten auch drei Mitarbeiter von Anvil Mining. Ein Militärgericht sprach die Mitarbeiter (sowie neun weitere Angeklagte) aber frei.

Angehörige von Opfern erstatteten Strafanzeige in Australien; die Ermittlungen wurden dort aber nach dem Freispruch im Kongo eingestellt.

Daraufhin unterstützte sie 2010 eine kanadische Menschenrechtsorganisation bei der Einreichung einer Klage in Kanada, wo Anvil Mining ebenfalls registriert ist. Der Kanadische Supreme Court entschied jedoch in letzter Instanz, dass kanadische Gerichte für den Fall nicht zuständig seien.

Ebenfalls im Jahr 2010 legten Angehörige der Opfer eine Beschwerde bei der Afrikanischen Menschenrechtskommission ein. Diese entschied schließlich im Dezember 2017, dass die Demokratische Republik Kongo ihre Pflicht verletzt habe, Menschenrechte angemessen zu schützen. Die Entscheidung setzte sich auch mit der Rolle der Anvil Mining auseinander (die Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht; es gibt bislang nur Pressemitteilungen und Berichte von Nichtregierungsorganisationen, vor allem der Organisation „Rights and Accountability in Development“ (RAID), die Angehörige der Opfer unterstützt hat.

Die Afrikanische Menschenrechtskommission konnte keine Entscheidung treffen, die für das Unternehmen direkt Rechtswirkungen hat. Denn sie ist für die Einhaltung der Afrikanischen Menschenrechtscharta sowie anderer internationaler Verträge über Menschenrechte zuständig. Diese richten sich aber immer an Staaten. Nur gegenüber Staaten begründen sie Pflichten. Dementsprechend konnte die Kommission nur eine Entscheidung fällen, die gegenüber der Demokratischen Republik Kongo wirksam war. Sie verpflichtete den Kongo zum Schadensersatz.

Gleichzeitig macht sie aber deutlich, dass die Kommission von einer Mitverantwortung von Anvil Mining ausgeht. Daher wandte sie sich nun in einem Brief an das Unternehmen und forderte es auf, sich an den Zahlungen von Schadensersatz an die Angehörigen der Opfer zu beteiligen. Die Kommission hat angekündigt, über Reaktionen von Anvil sofort zu berichten.

Der Fall wirft in mehrerlei Hinsicht ein Schlaglicht auf Probleme des internationalen Schutzes der Menschenrechte.

Einerseits beleuchtet er einmal mehr die Rolle von Unternehmen. Häufig arbeiten Regierungen und Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen Hand in Hand. Es fehlen aber rechtliche Instrumente, um Unternehmen für ihre Rolle zur Verantwortung zu ziehen. Internationale Menschenrechte binden nach derzeitigem Verständnis zur Staaten. Daher haben internationale Gerichte keine Handhabe gegen Unternehmen. Die Gerichte in den Heimatländern der Unternehmen betrachten sich als nicht zuständig und die Gerichte der Länder, in denen die Verletzungen begangen wurden sind oft anfällig für Korruption und nicht wirklich unabhängig.

Allerdings beleuchtet der Fall auch ein anderes Defizit des Menschenrechtsschutzes in Afrika: Es dauerte sieben Jahre, bis die Afrikanische Menschenrechtskommission eine Entscheidung fällte. Das, obwohl die Regierung des Kongo sich nicht am Verfahren beteiligte und obwohl die Kommission keine mündliche Verhandlung durchführte. Obwohl die Entscheidung der Kommission als Grundsatzentscheidung gilt, ist sie immer noch nicht auf der Webseite der Kommission verfügbar. Ein effektiver Schutz der Menschenrechte erfordert aber auch, dass die Kommission ihr Verfahren effektiv gestaltet und Opfer innerhalb vernünftiger Fristen zu ihrem Recht kommen.

Filed Under: Allgemein Tagged With: Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte, Wirtschaft und Menschenrechte

22. Dezember 2017 by Holger Hembach Leave a Comment

EuGH: Prüfungsarbeiten sind personenbezogene Daten

Der Begriff der personenbezogenen Daten ist ein Kernbegriff des Datenschutzrechtes. Nur wenn Daten personenbezogen sind, gelten für sie datenschutzrechtliche Gewährleistungen. Das gilt sowohl nach dem bisherigen Recht als auch nach der Datenschutzgrundverordung, die im Mai 2018 in Kraft treten wird.

Der Europäische Gerichtshof hat sich jetzt im Fall Nowak gegen Data Protection Commissioner erneut mit der Frage befasst, welche Daten als personenbezogen anzusehen sind.

Dabei ging es um den Fall eines Mannes, der in Irland das Wirtschaftsprüferexamen ablegen wollte. Er hatte bereits mehrere Teile der Prüfung bestanden, fiel aber im Fach „Strategische Finanzen and Management Buchhaltung“ mehrfach durch. Die Prüfung war anonym. Jedem Teilnehmer wurde eine Kennziffer zugeteilt, unter der die Prüfung abgelegt wurde. Dem Korrektor war damit die Identität des Prüfungsteilnehmers bei der Korrektur der Arbeit nicht bekannt.

 Nachdem er die Prüfung zum vierten Mal nicht bestanden hatte, verlangte er Einsicht ins eine Prüfungsarbeit. Dabei stützte er sich auf das irische Datenschutzgesetz. Das Institut, bei dem er die Prüfung abgelegt hatte, weigerte sich jedoch, diese herauszugeben.  

Herr Nowak wandte sich an den Datenschutzbeauftragten. Er machte geltend, er habe nach datenschutzrechtlichen Vorschriften einen Anspruch auf Auskunft. Der Datenschutzbeauftragte teilte ihm mit, ein solcher Anspruch bestehe nur hinsichtlich personenbezogener Daten. Eine Prüfungsarbeit beinhalte aber keine solchen Daten.

Herr Nowak machten den Anspruch gerichtlich geltend. Der irische Supreme Court, der sich schließlich mit der Klage befasste, hatte Zweifel, ob eine Prüfungsarbeit unter den Begriff der personenbezogenen Daten falle. Er legte die Frage daher dem Europäischen Gerichtshof vor.

Der Gerichtshof wies darauf hin, dass personenbezogene Daten definiert sind als alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare Person. Bestimmbar sei danach eine Person, die identifiziert werden könne, beispielsweise durch die Zuordnung zu einer Kennziffer oder zu bestimmten Merkmalen, die Ausdruck ihrer physischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Identität sind. Der Teilnehmer an der Prüfung sei eine bestimmbare Person. Denn die Identität des Teilnehmers könne über die Kennziffer festgestellt werden. Dabei sei es unerheblich, dass der Prüfer, der die Klausur korrigiere, die Identifizierung nicht vornehmen könne. Es reiche aus, dass das Institut, bei dem die Prüfung abgelegt werde, über die notwendigen Informationen verfüge. Für die Bestimmbarkeit sei es nicht erforderlich, dass sich alle Informationen in einer Hand befänden.

Der Gerichtshof prüfte dann, ob die Prüfungsarbeit auch Informationen über den Prüfungsteilnehmer enthielt. Er wies darauf hin, dass dieser Begriff weit zu verstehen sei. Er sei nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasse alle Informationen objektiver und subjektiver Art.

Nach dieser weiten Definition seien in der bearbeiteten Prüfungsaufgabe Informationen über den Kandidaten enthalten. Sie gäben nämlich den Kenntnisstand eines Prüflings zu dem Thema der Prüfung sowie seine Fähigkeit zu kritischem Denken und zur richtigen Einordnung wieder. Daran ändere es auch nicht, dass die Anmerkungen der Korrektoren zugleich Informationen über die Korrektoren seien. Eine und dieselbe Information könne nämlich mehrere Personen betreffen und in Bezug auf mehrere Personen personenbezogene Daten sein.

Auch stehe es einer Einordnung als personenbezogene Daten nicht entgegen, dass diese Einordnung dem Prüfling ein Recht auf Einsicht und Berichtigung gebe. Ein Teilnehmer an einer Prüfung habe ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Antworten und die Anmerkungen des Prüfers nicht außerhalb des Prüfungsvorgangs weitergegeben oder verarbeitet werde. Schon deshalb sei der Schutzbereich der datenschutzrechtlichen Vorschriften eröffnet. Aus dem Berichtigungsanspruch ergeben sich nicht, dass der Kandidat falsche Antworten im Nachhinein berichtigen könnte. Denn für die Richtigkeit der Daten komme es auf den Zeitpunkt der Erhebung an. Die Prüfung diene dazu, das Kompetenzniveau des Teilnehmers zum Zeitpunkt der Teilnahme zu ermitteln. Insofern seien objektive falsche Antworten keine falschen Informationen im Sinne des Datenschutzes. Denn sie spiegelten ja das Kompetenzniveau des Prüfungsteilnehmers korrekt wieder.

Danach seien die Antworten des Prüfungsteilnehmers personenbezogene Daten, auf die datenschutzrechtliche Vorschriften Anwendung fänden.

EuGH, Urteil vom 20.12.2017, Az.: C-434/16

Filed Under: Allgemein Tagged With: personenbezogene Daten

27. Oktober 2017 by Holger Hembach Leave a Comment

EGMR zur Berichterstattung über Verdacht einer Mafiamitgliedschaft – Verlagsgruppe Droemer Knaur gegen Deutschland

Die Journalistin und Romanautorin Petra Reski hat sich als Mafia-Expertin einen Namen gemacht. In ihren Büchern beschäftigt sie sich auch mit den Geschäften und dem Einfluss der Mafia in Deutschland. Als einen mächtigen Angehörigen der Verbrecherorganisation hat sie dabei einen Erfurter Gastronomen identifiziert und in Büchern und Zeitungsartikeln benannt. Der wehrt sich gegen Reskis Einschätzung vor Gericht.

Vor kurzem führte das zu einem Streit zwischen der Journalistin und Jakob Augstein, dem Verleger des “Freitag“. Reski berichtete über einen Prozess, in dem der Restaurantbesitzer gegen die Behauptung in einem MDR-Bericht vorging, er sei ein Mitglied der Mafia. Dabei nannte sie seinen Namen; der „Freitag“ veröffentlichte den Artikel. Postwendend forderte der namentlich benannte Gastronom den „Freitag“ auf, die Nennung seines Namens zu unterlassen und machte Schadensersatzansprüche gegen die Autorin geltend. 

Der “Freitag” löschte den Artikel, ohne Rücksprache mit Petra Reski und weigerte sich, die Autorin im Verfahren über die Schadensersatzansprüche zu unterstützen. Kritiker machten geltend, es entspreche den Gepflogenheiten in solchen Fällen, dass Verlage ihren Autoren zur Seite stehen. Jakob Augstein, der Verleger des Freitag hielt dagegen, ein Verlag sei keine Rechtsschutzversicherung für schlechte Recherche. Petra Reski hat daraufhin das Geld für ihre Rechtsverteidigung per Crowdfunding gesammelt und Jakob Augstein wegen seiner Äußerungen verklagt, die sie als rufschädigend empfindet

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich nun mit einem Fall beschäftigt, der damit im Zusammenhang steht.

Sachverhalt

Petra Reski hatte 2008 ein Buch mit dem Titel „Mafia“ veröffentlicht. In diesem beschäftigte sie sich mit der Struktur der Mafia und ihren Verbindungen zu Deutschland. Sie nannte dabei auch namentlich den Besitzer eines italienischen Restaurants in Erfurt als ein mutmaßliches Mitglied der ‚Ndrangheta . Dieser sei bereits im Jahre 2000 in einem Bericht des Bundeskriminalamtes erwähnt worden. Er habe nach dem Bericht des BKA seine Laufbahn als Pizzabäcker in dem Restaurant „Da Bruno“ in Duisburg begonnen (in einem Restaurant dieses Namens fanden 2007 die Mafia-Morde von Duisburg statt; der Gatronom war aber offenbar in einem anderen Restaurant des gleichen Namens).

Er verfüge als Sponsor eines Golfklubs über gute Verbindungen. Als die Polizei sein Restaurant durchsucht habe, weil er eines Mordes verdächtig gewesen sei, hätten dort gerade der Ministerpräsident von Thüringen und der Innenstaatssekretär gegessen.

Die Autorin stützte sich für ihre Berichte auf zwei Berichte des BKA aus den Jahren 2000 und 2008. In beiden Berichten wurde der Gastronom als Mitglied der ‚Ndrangheta erwähnt. Die Berichte des BKA wurden nicht veröffentlicht.

Petra Reskis Buch erschien bei der Verlagsgruppe Droemer und Knaur.

Der Mann, der als Mafiamitglied genannt worden war, erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung seines Namens in dem Buch.

Im folgenden Hauptsachverfahren begehrte er zusätzlich Schadensersatz wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts von dem Verlag, der das Buch veröffentlich hatte. Das Gericht sprach ihm Schadensersatz in Höhe von 10.000 € zu.

Es befand, der Verlag habe bei der Veröffentlichung seine journalistische Sorgfaltspflicht nicht beachtet. Er hätte dem Restaurantbesitzer die Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Auch seien die Verdachtsmomente in den Berichten des BKA sehr vage gewesen. Auch hätte die Autorin (bzw. der Verlag) berücksichtigen müssen, dass es offenbar nicht genug Beweise für eine Anklage gegeben habe. Dies hätte in dem Buch auch erwähnt werden müssen. Der Verlag könne sich auch deshalb nicht auf die Berichte berufen, weil diese nie veröffentlich worden sein.

Der Verlag bot im Verfahren Beweise für die Mafiamitgliedschaft des Klägers an. Das Gericht hielt diese Beweisangebote aber für unerheblich.

Nach einer erfolglosen Verfassungsbeschwerde legte die Verlagsgruppe Droemer Knaur eine Beschwerde beim EGMR ein.

 

Rechtliche Beurteilung

Der EGMR hatte, wie so oft, abzuwägen zwischen der Presse-  und Meinungsfreiheit und dem Recht auf Privatleben (das auch die Reputation erfasst) des Betroffenen. Er orientierte sich dabei an den Kriterien, die er in seiner Rechtsprechung entwickelt hat.

  • Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse

Der Gerichtshof erkannte an, dass Beiträge über Straftaten allgemein und die Rolle der Mafia in Deutschland von öffentlichem Interesse sind.

 

  • Thema der Berichterstattung und Bekanntheit der betroffenen Person

Der Gerichtshof geht davon aus, dass Personen die im Licht der Öffentlichkeit stehen, einen geringeren Anspruch auf Schutz haben. Er wies darauf hin, dass die deutschen Gerichte die Frage der Bekanntheit des Betroffenen nicht erörtert hatten. Der EGMR ging aber davon aus, dass der Betroffene Gastronom als Privatperson besonderen Schutz seines Rechts auf Privatleben genoss.

 

  • Art der Informationsbeschaffung und Wahrhaftigkeit der Information

der Gerichtshof unterstrich, dass auch die Berichterstattung über wichtige Themen von öffentlichem Interesse nicht völlig frei sei. Nach Art. 10 Abs. 2 bringe die Presse und Meinungsfreiheit auch Pflichten und Verantwortung mit sich. Diese Pflichten und Verantwortung hätten dann eine besondere Bedeutung, wenn eine namentlich genannte Person von der Berichterstattung betroffen sei. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die Schwere der Diffamierung der Person und die Verlässlichkeit der Quellen, auf die sich die Berichterstattung stütze.

Einerseits habe die Autorin es in dem Buch nicht als Tatsache dargestellt, dass der Gastronom der Mafia angehöre. Andererseits ergebe es sich aus der Darstellung, dass seine Mitgliedschaft in der kriminellen Organisation sehr wahrscheinlich sei. Dies habe der Verlag aber in den Prozessen in Deutschland nicht beweisen können.

Petra Reski habe sich auf Berichte des Bundeskriminalamtes stützen können. Diese seien aber interne Berichte gewesen, die nicht für die Veröffentlichung bestimmt waren. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Journalisten Informationen aus offiziellen Berichten ohne weitere Prüfung übernehmen dürfen. Der Gerichtshof führte nun aus, dass dies nicht gelte, wenn es sich lediglich um interne Dokumente handele. Die Autorin habe deshalb ihre journalistische Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, als sie sich auf den Inhalt dieser Berichte verlassen habe.

 

  • Früheres Verhalten der Person

Der Gerichtshof stellte fest, dass es vor der Veröffentlichung des größten keine Veröffentlichungen gegeben hatte, denen zur Folge der Betroffene einen Mafioso sei.

 

  • Inhalt, Form und Konsequenzen der Veröffentlichung

Der EGMR ging davon aus, dass die Darstellung des Gastronomen als Mitglied einer gefährlichen Verbrecherorganisation dessen Ruf in erheblichem Maße beschädigte.

 

  • Höhe der Sanktion

der Gerichtshof kam zu der Auffassung, dass die Auferlegung eines Schadensersatzes in Höhe von 10.000 € den Verlag nicht unverhältnismäßig belastete bzw. keinen unverhältnismäßigen Eingriff in dessen Recht auf Meinungsfreiheit darstellte.

 

Aufgrund dieser Erwägungen stellte der EGMR keine Verletzung von Art. 10 EMRK fest. Eine Richterin des Gerichtshofs gab eine abweichende Meinung ab; sie war der Auffassung, dass die nationalen Gerichte Fehler bei der Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Recht auf Privatleben gemacht hatten. Nach ihrer Auffassung lag einer Verletzung von Art. 10 EMRK vor.

Die abweichende Meinung findet sich im Wortlaut und in einer deutschen Übersetzung auf der Webseite von Petra Reski. Dort ist auch eine Stellungnahme der Autorin.Und ein Interview mit ihr zu dem Urteil ist hier in der Taz erschienen

 

Verlagsgruppe Droemer Knaur g. Deutschland (Beschwerde Nr. 35030/13), Urteil vom 19.10.2017

 

 

Filed Under: Allgemein Tagged With: Art. 10 EMRK, Petra Reski, Pressefreiheit, Verdachtsberichterstattung

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