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The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

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Was ist neu

Neue UN-Hochkommissarin für Menschenrechte nominiert

Holger Hembach · 10. August 2018 ·

Der Generalsekretär der vereinten Nationen hat Michelle Bachelet als neue Hochkommissarin für Menschenrechte nominiert. Bachelet ist die ehemalige Präsidentin von Chile und eine prominente Verfechterin von Frauenrechten. Sie war zuvor die Chefin der UN-Einheit für Geschlechtergleichheit und die Stärkung von Frauen (UN-Women) Die New York Times hat einige biographische Details über sie veröffentlicht. Der Artikel findet sich hier. Die Wahl von Frau Bachelet muss nun von der UN-Vollversammlung bestätigt werden.

Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren – Dridi gegen Deutschland

Holger Hembach · 3. August 2018 ·

Zur EMRK gibt es umfangreiche und differenzierte Rechtsprechung. Ob ein Verstoß gegen die Konvention vorliegt, ist häufig schwer festzustellen, und oft lässt sich kaum vorhersagen, wie der EGMR entscheiden wird. In einigen Fällen liegt die Konventionsverletzung aber offen zutage. Der Fall Dridi gegen Deutschland gehört meines Erachtens eher in die zweite Kategorie. In diesem Fall stellte der Gerichtshof im Zusammenhang mit einem Strafverfahren eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren fest.

Sachverhalt:

 Der Beschwerdeführer war 2009 vom Amtsgericht Hamburg zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen verurteilt worden. In diesem Verfahren wurde er von einem Jurastudenten vertreten (die Strafprozessordnung sieht vor, dass in bestimmten Fällen mit Genehmigung des Gerichts auch Personen als Verteidiger auftreten dürfen, die keine Rechtsanwälte oder Hochschullehrer sind, § 138 Abs. 2 StPO).  

Der Beschwerdeführer legte Berufung ein. Er beantragte auch, ihn von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Berufungsverhandlung zu entbinden. Auch die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, die sie auf das Strafmaß beschränkte.

Nach Einlegung der Berufungen zog der Beschwerdeführer nach Spanien. Er informierte das Gericht über seine dortige Adresse.

Das Landgericht Hamburg zog am 24.04.2009 die Genehmigung, dass der Jurastudent als Verteidiger auftreten durfte, zurück. Es wies auch den Antrag zurück, den Beschwerdeführer von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Diese Entscheidung schickte das Gericht den Beschwerdeführer an seine Adresse in Spanien.

Am gleichen Tage beraumte es die Berufungsverhandlung für den 13.05.2009 an. Das Landgericht entschied, den Beschwerdeführer zu dieser Verhandlung über eine öffentliche Zustellung zu laden. Dabei wird die Ladung bei Gericht ausgehängt und der Angeklagte gilt nach zwei Wochen als ordnungsgemäß geladen.

Einen Tag vor der Verhandlung erfuhr der Student, der den Beschwerdeführer verteidigt hatte, per Telefon, dass das Oberlandesgericht die Entscheidung aufgehoben hatte, seine Genehmigung zum Auftreten als Verteidiger zurückzuziehen. Er erfuhr auch, dass die Hauptverhandlung über die Berufung am folgenden Tage stattfinden sollte.

Der Verteidiger beantragte daher per Fax, die Hauptverhandlung zu vertagen, weil er am nächsten Tag nicht in der Stadt sein werde. Darüber hinaus beantragte er, dass ihm Dokumente aus der Akte – vor allem die Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft – übersandt werden sollten. Das Gericht versuchte, die Dokumente per Fax zu übersenden, was aber nicht gelang, weil das Faxgerät des Verteidigers keine Dokumente empfangen konnte.

Am 13.05.2009, also am Tag der Hauptverhandlung, wie das Landgericht den Antrag auf Verlegung der Hauptverhandlung zurück. Es führte aus, der Rechtsanwalt habe auf sein Recht auf Ladung innerhalb der vorgesehenen Frist verzichtet, weil ihm der Termin der Hauptverhandlung bekannt gewesen sei (wie sich aus seinem Fax vom Vortag ergebe).

Das Landgericht verwarf die Berufung des Beschwerdeführers, weil der Beschwerdeführer ohne Entschuldigung nicht erschienen sei und auch nicht von einem Verteidiger vertreten worden sein.

Der Beschwerdeführer beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Es führte aus, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung vorgelegen hätten. Der Verteidiger hätte auf die Ladungsfrist verzichtet und sein Antrag auf Verlegung des Termins hätte sich nicht auf die Nichteinhaltung der Ladungsfrist sondern auf Terminprobleme geschützt, die er nicht näher beschrieben hätte.

Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der Beschwerdeführer legte Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein; das Bundesverfassungsgericht nahm diese ohne Begründung nicht zur Entscheidung an.

 

Rechtliche Beurteilung:

Verstoß gegen Artikel 6 Abs.1 und Abs. 3 c) EMRK

Der Beschwerdeführer stützte seine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Art. 6 Abs. 1 und Absatz 3 c) der EMRK. Art. 6 Abs. 1 regelt das Recht auf ein faires Verfahren; der dritte Absatz des Artikels hat bestimmte Aspekte dieses Rechts zum Gegenstand. Buchstabe c) dieses Absatzes garantiert das Recht, sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen.

Der Gerichtshof wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer zum Erscheinen in der Berufungsverhandlung verpflichtet gewesen war und dass die Berufung verworfen worden war, weil er nicht erschienen war. Er führte aus, dass die Adresse des Beschwerdeführers in Spanien dem Landgericht bekannt gewesen war, dass eine vorherige Entscheidung erfolgreich an diese Adresse zugestellt worden war. Auch habe es keine erfolglosen Versuche gegeben, den Beschwerdeführer Dokumente zuzustellen. Der Beschwerdeführer sei auch sonst nicht darauf hingewiesen worden, dass ihm eine Ladung durch öffentliche Bekanntmachung zugestellt worden sei – obwohl Art. 5 der EU Konvention über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vom 29.05.2000 eine Übersendung mit der Post vorsehe. Außerdem habe der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Ladung keinen Verteidiger gehabt, weil zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung noch in Kraft gewesen sei, dass der Student ihm nicht vertreten dürfe. Aufgrund dieser Erwägungen sei der Gerichtshof davon überzeugt, dass die öffentliche Zustellung der Ladung nicht genug gewesen sei, um den Beschwerdeführer in die Lage zu versetzen, der Hauptverhandlung in seiner Sache beizuwohnen.

Insofern liege ein Verstoß gegen Art. 6 vor

 

Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 b) EMRK

Darüber hinaus stützte sich der Beschwerdeführer auf Art. 6 Abs. 3 b), der das Recht garantiert, ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung zu haben.

Der Gerichtshof führte aus, der Verteidiger habe erst einen Tag vor der Hauptverhandlung erfahren, dass diese am nächsten Tag stattfinden sollte. Er habe nicht über eine Kopie der Berufungsschrift der Staatsanwaltschaft verfügt der Verteidiger habe eine Vertagung beantragt; dieser Antrag sei aber zurückgewiesen worden. Insofern könne man nicht davon ausgehen, dass der Verteidiger auf sein Recht auf fristgemäße Ladung verzichtet habe und dass er in der Lage gewesen sei, sich auf die Verteidigung vorzubereiten und an der Hauptverhandlung teilzunehmen.

Auch insofern liege ein Verstoß gegen Art. 6 EMRK vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Art. 8 EMRK und das Recht auf Vergessenwerden – M.L. und W.W. gegen Deutschland

Holger Hembach · 15. Juli 2018 ·

Das Recht auf Vergessenwerden wird im Zusammenhang mit der DSGVO und dem Google-Spain-Urteil des Europäischen Gerichtshofs lebhaft diskutiert. Dabei sollte man aber nicht aus dem Blick verlieren, dass auch der EGMR wichtige Urteil zu diesem Fragenkomplex gefällt hat. Ein Beispiel für eine solche Entscheidung ist das Urteil im Fall M.L. und W.W. gegen Deutschland. Die Beschwerdeführer waren wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayer verurteilt worden. Sie begehrten die Löschung persönlicher Informationen aus Berichten, die immer noch in den Archiven von Medien abrufbar waren.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer waren 1993 in einem Inidzienprozess wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Seldmayer zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Sie hatten stets ihre Unschuld behauptet und mehrere Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt. In den Jahren 2007 bzw. 2008 wurden sie aus der Haft entlassen. Auch danach hielten sie daran fest, dass sie unschuldig verurteilt worden seien.

Im Jahr 2000 veröffentlichte das „Deutschlandradio“ eine Reportage mit dem Titel „Walter Sedlmayer vor zehn Jahren ermordet“.  In dem Bericht wurden die vollständigen Namen der Beschwerdeführer genannt. Ein Transkript des Berichtes war noch mindestens bis zum Jahr 2007 auf der Website des Deutschlandradios abrufbar.

Die Beschwerdeführer versuchten vor Gericht zu erreichen, dass ihre Namen aus dem Transkript gestrichen würden. Die ersten beiden Instanzen gaben ihnen Recht, aber der Bundesgerichtshof wies die Klage ab. Er führte aus, es sei abzuwägen zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer und der Pressefreiheit. Das Interesse von Straftätern, nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden, wiege im Laufe der Zeit immer schwerer. Im Hinblick darauf, dass Täter ihrer Strafe verbüßt hätten und  auf ihr Interesse an einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft sei es nicht leicht zu rechtfertigen, wenn weiterhin Informationen über ihre Namen veröffentlicht würden. Auch Täter, die ihre Strafe verbüßt hätten, hätten aber kein absolutes Recht darauf, mit ihrer Tat nicht mehr konfrontiert zu werden. Gerichte müssten hier abwägen. Dabei seien die Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Art, in der die Täter dargestellt würden sowie die Verbreitung der Veröffentlichung zu berücksichtigen. Auf Grundlage dieser Kriterien kam der BGH zu der Überzeugung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführer hinter der Pressefreiheit zurücktreten müsse.

Der Bericht habe sich mit einem Verbrechen befasst, das große Aufmerksamkeit in Deutschland hervorgerufen habe. Die Beschwerdeführer seien nicht nur als die Täter porträtiert worden. Die Reportage habe auch erwähnt, dass sie die Tat bis zuletzt bestritten hätten.  Auch sei die Verbreitung des Transkripts begrenzt.

Die Beschwerdeführer wandten sich in einem separaten Verfahren auch gegen eine Veröffentlichung auf der Webseite des „Spiegel“. In dieser waren in einem Dossier unter dem Titel „Walter Sedlmayer – Mord mit einem Hammer“ verschiedene Artikel zusammengefasst, die der Spiegel zu der Tat veröffentlich hatte. Darunter war auch ein Beitrag, der die Namen der Beschwerdeführer sowie persönliche Details wie etwa ihren familiären Hintergrund enthielt. Zu dem Bericht gehörten Fotos, die die Beschwerdeführer im Gerichtssaal zeigten sowie in Begleitung von Walter Sedlmayer.

Auch diese Veröffentlichung hielt der Bundesgerichtshof für zulässig.

Schließliche führten die Beschwerdeführer noch ein weiteres Verfahren gegen den Mannheimer Morgen, der ebenfalls Berichte über den Mord an Sedlmayer veröffentlich hatte, in denen die Beschwerdeführer erkennbar waren.

Die Beschwerdeführer legten eine Beschwerde beim EGMR ein.

 

Rechtliche Bewertung

Allgemeine Erwägungen

Der Gerichtshof wies darauf hin, dass der Begriff des Privatlebens nach Art. 8 EMRK weit und keiner vollständigen Definition zugänglich sei. Er könne verschiedene Aspekte der Identität einer Person erfassen, darunter auch die Erwartung, dass bestimmte Informationen über eine Person nicht ohne Einverständnis verbreitet werden dürften. Wenn Informationen über eine Person in einem Umfang verarbeitet oder veröffentlicht würden, die nicht von den berechtigten Erwartungen des Betroffenen gedeckt seien, betreffe das das Recht auf Privatleben. Man dürfe sich aber nicht auf Art. 8 EMRK berufen, um sich gegen Veröffentichungen zu wehren, die eine voraussehbare Reaktion auf eigene Handlungen seien.

Es komme in diesem Fall darauf an, das richtige Gleichgewicht zwischen dem Schutz des Privatlebens der Beschwerdeführer und der Pressefreiheit der Publikationen zu finden, die die Informationen veröffentlicht hätten. Der Gerichtshof unterstrich erneut die essentielle Rolle, die die Medien in einer pluralistischen Demokratie spielten. Dabei hätten die Medien auch die Aufgabe, Informationen für die Öffentlichkeit in Archiven zugänglich zu machen. Dies sei nicht die Hauptaufgabe der Medien; dieser Aufgabe komme aber dennoch eine gewisse Bedeutung zu.

Der EGMR führte weiter aus, dass die nationalen Stellen bei der Beurteilung des richtigen Gleichgewichts zwischen dem Recht auf Privatleben und der Presse- und Äußerungsfreiheit einen gewissen Beurteilungsspielraum genössen. Wenn diese Abwägung im Einklang mit den Kriterien vorgenommen worden sei, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelt habe, bedürfe es wichtiger Gründe, wenn der Gerichtshof die Entscheidung nationaler Gerichte in Frage stellen solle. Die Kriterien, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelt habe, seien mit gewissen Modifikationen auch im vorliegenden Fall anzuwenden.

 

Unterschied zwischen Medien und Suchmaschinen

Der Gerichtshof führte aus, dass ein Unterschied bestehe zwischen der Situation bei Suchmaschinen und beim Anbieten von Online-Informationen durch Medien. Die Medien stellten die Information zur Verfügung, während die Suchmaschinen lediglich zu ihrer Verbreitung beitrügen. Die Tätigkeit der Medien betreffe damit einen Kernbereich der Presse- und Äußerungsfreiheit, die Aktivität der Suchmaschinen dagegen nicht. Daher könne die Abwägung der widerstreitenden Interessen in Bezug auf Suchmaschinen und Medien unterschiedlich ausfallen.  Der Gerichtshof bezog sich dabei auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall Google Spain, in dem sich der EuGH mit dem Recht, vergessen zu werden, auseinandergesetzt hatte. In diesem Fall hatte ein Betroffener sowohl von einer Zeitung als auch von Google gefordert, bestimmte Seiten zu löschen, auf denen Informationen über ihn in Zusammenhang mit einer Insolvenz zu finden waren oder sicherzustellen, dass diese über Suchmaschinen nicht mehr gefunden werden konnten. Auch der EuGH wies darauf hin, dass ein Unterschied zwischen den Ansprüchen gegenüber dem Medium selbst und gegenüber Google bestehen könne. Denn die Zeitung könne sich, anders als Google, auf die Meinungsfreiheit berufen.

Der Gerichtshof prüfte dann die Kriterien, die er in seiner Rechtsprechung entwickelt hat

Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse

Der EGMR wies darauf hin, dass die Ermordung Walter Seldmayers  und der sich anschließende Strafprozess, große öffentliche Aufmerksamkeit erregt hätten. Das gelte nicht nur für den ursprünglichen Prozess, sondern auch für die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens, die die Beschwerdeführer gestellt hätten. Der Gerichtshof schließe sich der Interessenabwägung an, die der BGH vorgenommen habe. Auch die bloße Anonymisierung von Berichten bzw. die Tilgung ihrer persönlichen Daten, die die Beschwerdeführer verlangten, sei ein Eingriff in die Pressefreiheit.

Bekanntheit der betroffenen Personen und des Themas der Berichte

Der EGMR stellte fest, dass sich die deutschen Gerichte nicht zu diesem Kriterium geäußert hatten. Er wies darauf hin, dass die Beschwerdeführer Bekanntheit erst durch das Verbrechen und den Strafprozess erlangt hatten, mit denen ihr Name in Verbindung gebracht wurde. Diese Bekanntheit habe sich im Laufe der Zeit wieder reduziert. Die Beschwerdeführer seien aber keine vollständig unbekannten Personen gewesen.

 

Früheres Verhalten der Betroffenen

Im Zusammenhang mit dem früheren Verhalten der Beschwerdeführer wies der Gerichtshof darauf hin, dass diese sich selbst an die Presse gewandt hätten, um auf ihre Wiederaufnahmeanträge und andere Rechtsmittel hinzuweisen. Daher sei die Berechtigung des Interesses der Beschwerdeführer, nicht mehr mit ihrer Tat konfrontiert zu werden, reduziert.

 

Der Inhalt, die Form und die Folgen der Veröffentlichung

Der Gerichtshof merkte an, dass die in Rede stehenden Artikel objektiv gewesen seien und sich innerhalb der Grenzen der Pressefreiheit bewegt hätten. Einige der Veröffentlichungen des „Spiegel“ seien zweifelhaft, insgesamt aber noch von der Äußerungsfreiheit gedeckt. Die Artikel hätten die Beschwerdeführer in objektiver und nicht herabsetzender Weise geschildert.

 

Umstände, unter denen die Fotos gemacht wurden

Der Gerichtshof setzte sich nur kurz mit den Fotos der Beschwerdeführer auseinander, die veröffentlicht worden waren. Hierzu merkte er an, die Bilder seien 13 Jahre alt, was es unwahrscheinlicher mache, dass die Beschwerdeführer augrund dieser Bilder wiedererkannt werden könnten. Auch porträtierten die Bilder die Beschwerdeführer nicht in herabsetzender Weise.

Der EGMR kam zu dem Ergebnis, dass die deutschen Gerichte sich innerhalb ihres Beurteilungsspielraums bewegt hätten, als sie die Veröffentlichung für zulässig erklärten.

Der Gerichtshof stellte keine Verletzung von Art. 8 EMRK fest.

EGMR, Urteil vom 28.06.2018 – 60798/10 und 65599/10

 

 

Schutz der Korrespondenz zwischen Anwalt und Mandant nach Art. 8 EMRK – Laurent gegen Frankreich

Holger Hembach · 26. Mai 2018 ·

Die Korrespondenz zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten wird durch Art. 8 EMRK geschützt. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits mehrfach entschieden.  Im Fall Laurent gegen Frankreich hat der Gerichtshof dies für eine Sonderkonstellation erneut betont.

Der Beschwerdeführer vertrat als Rechtsanwalt zwei Beschuldigte in einem Verfahren, das vor dem Tribunal de Grande Instance in Brest stattfand. Es fand ein Termin vor dem Haftrichter statt, zu dem die Beschuldigten von Polizeibeamten eskortiert wurden. Vor dem Termin bekam der Rechtsanwalt die Gelegenheit, mit seinen Mandanten zu sprechen. Dabei waren in dem Raum auch die Polizeibeamten anwesend. Die Mandanten baten den Beschwerdeführer um eine Visitenkarte. Da er keine Visitenkarte dabei hatte, schrieb er seine Kontaktdaten auf einen Zettel, faltete ihn zusammen und gab ihn dem ersten Mandanten.

Ein Polizeibeamter forderte den Beschwerdeführer auf, ihm den Zettel zu geben. Er faltete ihn auseinander, las ihn und gab ihn zurück. Der Rechtsanwalt wies den Polizisten darauf hin, dass sein Verhalten den Grundsatz der Vertraulichkeit seiner Kommunikation mit seinem Mandanten verletze.

Der Vorgang wiederholte sich bei dem zweiten Mandanten.

Der Beschwerdeführer erstattete Strafanzeige gestützt auf Artikel 432 – 9 des französischen Strafgesetzbuches, der unter anderem das Öffnen von Korrespondenz zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten unter Strafe stellt.  Das Verfahren wurde eingestellt.

Der Beschwerdeführer legte eine Beschwerde beim EGMR ein.

Die französische Regierung beantragte, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, weil kein schwerer Schaden eingetreten sei. Der Gerichtshof wies dieses Argument zurück, weil der Schutz der Kommunikation zwischen einem Mandanten und seinem Anwalt ein wichtiges Thema sei.  Er erklärte die Beschwerde daher für zulässig.

Der Gerichtshof stellte fest, dass der Zettel bzw. sein Inhalt vom Schutz der Kommunikation zwischen einem Anwalt und seinem Mandanten erfasst sei. Das Entfalten des Zettels und Lesen seines Inhalts sei ein Eingriff in das Recht auf Respekt vor der Korrespondenz.

Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, einem legitimen Ziel dient und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Der EGMR ließ es offen, ob es eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Recht auf Respekt vor der Korrespondenz gab. Er gestand zu, dass der Eingriff einem legitimen Ziel, nämlich dem Schutz der strafrechtlichen Ordnung diente.

Der EGMR war aber der Auffassung, dass der Eingriff nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen sei. Eine gewisse Kontrolle der Korrespondenz von inhaftierten Personen stehe im Einklang mit der Konvention. Der Schriftverkehr zwischen einem Rechtsanwalt und seinem Mandanten sei aber privilegiert. Daher dürften die Behörden den Brief eines Anwalts nicht öffnen, solange sie nicht einen plausiblen Grund hätten, zu glauben, dass der Inhalt rechtswidrig sei.  Ein Brief von einem Inhaftierten an seinen Anwalt oder von dem Anwalt an den Inhaftierten dürfe nur in Ausnahmefällen geöffnet werden, wenn die Behörden Grund zu der Annahme hätten, dass die Privilegierung missbraucht werde, wenn der Inhalt die Sicherheit der Anstalt gefährde oder einen strafbaren Inhalt habe. Die Plausibilität der Gründe hänge von allen Umständen des Einzelfalles ab.

Im konkreten Fall habe es keine plausiblen Gründe gegeben, anzunehmen, dass der Zettel einen illegalen Inhalt habe oder ein Sicherheitsrisiko berge. Der Beschwerdeführer habe ihn offen vor den Augen der Polizeibeamten überreicht, ohne sich zu bemühen, seinen Inhalt zu verbergen. Da es keinen Verdacht auf illegales Verhalten gegeben habe, sei das Entfalten und Lesen des Zettels nicht in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen.

Der EGMR stellte eine Verletzung von Art. 8 EMRK fest.

Laurent g. Frankreich, Beschwerde Nr. 28798/13, Urteil vom 24.05.2018

Recht auf Prüfung der Haft innerhalb kurzer Frist nach Art. 5 EMRK – Patalakh gegen Deutschland

Holger Hembach · 11. Mai 2018 ·

Untersuchungshaft ist Freiheitsberaubung an einem Unschuldigen, hat ein bekannter Jurist einmal gesagt. Diese Freiheitsberaubung kann gerechtfertigt sein, beispielsweise um zu gewährleisten, dass der Angeklagte auch tatsächlich zur Hauptverhandlung erscheint. Es muss aber verfahrensrechtliche Garantien geben, damit die Untersuchungshaft auf das Maß begrenzt wird, das unbedingt erforderlich ist.  Solche Verfahrensgarantien erhält auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Eine davon ist das Recht auf eine  Überprüfung der Haft durch ein Gericht innerhalb kurzer Frist, das in Art. 5 Abs. 4 EMRK verankert ist. Der EGMR hat im Fall Patalakh gegen Deutschland einen Verstoß gegen dieses Recht festgestellt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte sich mehrere Monate Zeit gelassen, über die Fortdauer der Untersuchungshaft zu entscheiden.

Der Beschwerdeführer war russischer Staatsbürger. Gegen ihn wurde im Oktober 2013 wegen des Verdachts verschiedener Wirtschaftsstraftaten Haftbefehl erlassen. Am gleich Tag wurde er verhaftet. Das Gericht ordnete die Untersuchungshaft an. Es ging von Fluchtgefahr aus. Die Frau des Beschwerdeführers, die mitangeklagt war, sei ebenfalls russische Staatsbürgerin und habe kaum Bindungen zu Deutschland, so dass die Möglichkeit bestehe, dass die beiden das Bundesgebiet verlassen könnten. Darüber hinaus bestehe Verdunkelungsgefahr.

Im September 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen ihn und im Juli 2016 verurteilt ihn das Landgericht Darmstadt zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und sechs Monaten. Das Urteil des Landgerichts war zur Zeit des Urteils dem EGMR noch nicht rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer hatte frühzeitig begonnen, Rechtsmittel gegen seine Untersuchungshaft einzulegen. Im Juli 2014 fand eine Haftprüfung durch das Oberlandesgericht statt. Das Gericht ordnete die Fortdauer der Haft an und entschied, dass ihm die Akte im Oktober zur erneuten Prüfung wieder vorgelegt werden sollte. Für die Zwischenzeit übertrug es die Zuständigkeit für weitere Entscheidungen die Haft betreffend auf das Landgericht.

Der Beschwerdeführer erhob Gegenvorstellung und eine Gehörsrüge.

Der Beschwerdeführer legte auch Verfassungsbeschwerde gegen seine Untersuchungshaft ein. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung an.

Der Beschwerdeführer legte erneut Rechtsmittel gegen die Untersuchungshaft ein.  Im Dezember 2014 entschied das Landgericht, das Rechtsmittel sei prozessual überholt, weil im Oktober eine regelmäßige Haftprüfung durch das Oberlandesgericht anstehe und daher die Zuständigkeit auf das Oberlandesgericht übergegangen sei.

Im Oktober beantragte die Staatsanwaltschaft die Verlängerung der Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer beantragte im November die Aufhebung des Haftbefehls. Er beantragte auch, dass das Oberlandesgericht zunächst über die Gegenvorstellung und seine Gehörsrüge entscheiden möge, die er nach der Entscheidung im Juli eingelegt hatte.

Das Gericht wies die Haftbeschwerde zurück und lehnte die Gehörsrüge ab.

Der Beschwerdeführer beantragte die Mitteilung der Namen der zuständigen Richter am Oberlandesgericht. Als ihm die Namen mitgeteilt wurden, lehnte er zwei der drei Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte u.a. geltend, sie hätten rund zweieinhalb Monate gebraucht, um über seine Haftbeschwerde und seine Gehörsrüge zu entscheiden. Dies komme einer willkürlichen Sachbehandlung gleich. Am 30.Dezember wies das Oberlandesgericht die Befangenheitsanträge ab.

Im März 2015 sandte der Verteidiger des Beschwerdeführers zwei Umfangreiche Stellungnahmen an das Oberlandesgericht, die er in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt abgegeben hatte. Er beantragte, dass das Gericht diese berücksichtige möge, wenn es über die Fortdauer der Haft entscheide. Er beantragte auch, dass das OLG Frankfurt zügig entscheiden möge.

Rund einen Monat später legte der Beschwerdeführer erneut Verfassungsbeschwerde ein, weil das OLG Frankfurt immer noch keine Entscheidung über die Untersuchungshaft getroffen hatte.  Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde, gewohnt souverän, nicht zur Entscheidung an.

Ungefähr drei Wochen später wurde dem Verteidiger des Beschwerdeführers eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt über die Untersuchungshaft zugestellt. Es hatte diese wenige Tage getroffen bevor der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte.

Das OLG Frankfurt ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Es setzt sich in der Entscheidung nicht mit der Dauer des Verfahrens über die Prüfung der Fortdauer der Haft.

Der Beschwerdeführer legte eine Beschwerde beim EGMR ein. Der EGMR prüfte, ob das Recht des Beschwerdeführers auf eine Prüfung der Haft in angemessener Frist verletzt war. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er nach Art. 5 Abs. 4 EMRK ein Recht darauf habe, dass die Notwendigkeit der Untersuchungshaft regelmäßig geprüft werde. Nach deutschem Recht sei eine solche Prüfung alle drei Monate vorgesehen, wenn die Dauer der Untersuchungshaft einmal sechs Monat überschritten habe.

Der Gerichtshof führte aus, dass der Begriff der Überprüfung innerhalb kurzer Frist nicht durch eine bestimmte Zeitspanne definiert sei. Ob die Überprüfung der Haft noch innerhalb kurzer Frist erfolge, müsse anhand aller Umstände des Einzelfalles bestimmt werden. Es sei jedoch besondere Eile geboten, wenn eine Hauptverhandlung bevorstehe, denn es solle gewährleistet werden, dass dem Betroffenen die Unschuldsvermutung zugute komme.

Bei der Prüfung könne auf zwei verschiedene Zeiträume abgestellt werden: Auf die Zeitintervalle zwischen den Entscheidungen des Oberlandesgerichts oder auf die Zeit, die von der Anhängigkeit der Sache beim OLG bis zur Entscheidung vergehe. Was den zweiten Gesichtspunkt angehe, sei dauere der relevante Zeitraum vom 24.Oktober bis zur. Zustellung der Entscheidung am 15.Mail. Es habe damit sechseinhalb Monate gedauert. Dies sei prima facie nicht mit den relativ strengen Anforderungen vereinbar, die der Gerichtshof im Bereich der Prüfung von Untersuchungshaft aufgestellt habe.

Unter diesen Umständen obliege es dem Staat, die Verzögerung zu erklären und außergewöhnliche Umstände vorzutragen, die die Zeitspanne rechtfertigten.

Der Gerichtshof erkannte an, dass die Verzögerung von Oktober bis Januar durch zwei Befangenheitsanträge verursacht worden seien, die in verfahrensmäßig richtiger Weise nach Anhörung aller Beteiligten hätten bearbeitet werden müssen. Dies habe zu einer gerechtfertigten Verzögerung geführt.

Was den Zeitraum von Januar bis Mai betreffe, habe die letzte Entscheidung im Januar bereits mehr als sechs Monate zurückgelegen und der Beginn der regelmäßigen Haftprüfung rund drei Monate. Unter diesen Umständen hätte das Verfahren besonders schnell vorangetrieben werden müssen.

Der Gerichtshof habe in seiner Rechtfertigung recht strenge Anforderungen an die Prüfung der Haft  innerhalb kurzer Frist aufgestellt. Im Hinblick auf diese strengen Kriterien könne auch die Komplexität des Falles die Dauer des Verfahrens nicht rechtfertigen.

Der Gerichtshof stellte eine Verletzung von Artikel 5 EMRK fest.

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