Einführung
Die EU Grundrechte-Charta beinhaltet einen Katalog von grundlegenden Rechten und Freiheiten, die in der gesamten Union gelten. Die Union und all ihre Institutionen sind an den Inhalt der Charta gebunden. Die Mitgliedstaaten der Union sind hingegen nur an die Charta gebunden, wenn und soweit sie EU-Recht umsetzen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Europäischen Union sind mit der EU Grundrechte-Charta in einem einzigen Text die Gesamtheit der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger und aller im Hoheitsgebiet lebenden Menschen erfasst.
Entstehungsgeschichte und Hintergründe
Ursprünglich sollte die EU die wirtschaftliche Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten fördern. Grundrechte spielten dabei zunächst gar keine Rolle. Durch die im Laufe der Zeit immer enger werdende Zusammenarbeit der Staaten innerhalb der EU wuchsen die Kompetenzen der Union und damit auch ihr Einfluss auf das Leben der Menschen. Es wurde klar, dass zukünftig ein Instrument nötig sein würde, um sicher zu stellen, dass dabei die Grundrechte geschützt werden. So wurde die Idee der EU Grundrechte-Charta geboren.
Nach auf Initiative der deutschen Bundesregierung gefassten Beschlüssen des Europäischen Rats in Köln und Tampere, wurde von der EU zunächst eine Expertenkommission einberufen, um einen Grundrechtekatalog zu erarbeiten. Diese Expertenkommission war der erste europäische Konvent. Zum Vorsitzenden dieses Konvents wurde der ehemalige deutsche Bundespräsident und Präsident des Bundesverfassungsgerichts Roman Herzog. Im Jahr 2000 wurde der vom Konvent erarbeitete Grundrechtekatalog von der EU feierlich verkündet, auch wenn dieser zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtlich bindend war.
Ein erster Versuch, der Charta Bindungswirkung zu verleihen, erfolgte mithilfe des zweiten europäischen Konvents zur Erarbeitung eines Vertrags über eine Verfassung für Europa, in der die Grundrechte verankert werden sollten. Dieses Vorhaben scheiterte allerdings, nachdem der Verfassungsvertrag 2005 in Referenden in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden war. Erst 2007 durch den Vertrag von Lissabon wurde die Arbeitsweise der Europäischen Union und ihre Organisation reformiert und die EU Grundrechte-Charta für verbindliches Recht erklärt.
Inhalte
Die EU Grundrechte-Charta ist deutlich jünger als viele vergleichbare Verträge zu den internationalen Menschenrechten. In vieler Hinsicht ist sie daher auch moderner und enthält Rechte, die nicht in den klassischen Menschenrechtsverträgen zu finden sind. Dazu gehören beispielsweise ein Recht auf Verbraucherschutz oder ein Recht auf Datenschutz.
Die EU Grundrechte-Charta ist in sieben Titel unterteilt:
1. Titel: Die Würde des Menschen
Im ersten Titel der Charta finden sich Grundrechte wie z.B.:
- Das Recht auf Leben
- Verbot der Folter
- Verbot der Sklaverei
2. Titel: Freiheiten
Im zweiten Titel der Charta sind Grundrechte geregelt, wie:
- Das Recht auf Freiheit
- Das Recht auf Achtung vor dem Privatleben
- Das Recht auf freie Meinungsäußerung
- Das Recht auf Versammlungsfreiheit
- Das Recht auf Datenschutz
3. Titel: Gleichheit
Im Dritten Titel der Charta finden sich Gleichheitsgrundrechte wie z.B.:
- Gleichbehandlung von Mann und Frau
- Diskriminierungsverbot
4. Titel: Solidarität
Der vierte Titel der Charta befasst sich mit Solidarität. Darin sind Rechte geregelt, wie:
- Das Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen
- Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung
- Das Verbot der Kinderarbeit
5. Titel: Bürgerrechte
Im fünften Titel geht es um grundlegende politische Teilhaberechte. Dazu gehören:
- Das aktive und das passive Wahlrecht zum europäischen Parlament
- Das Recht auf Zugang zu Dokumenten
- Das Recht auf eine gute Verwaltung
6. Titel: Justizielle Rechte
Der sechste Titel der Charta enthält Justizgrundrechte. Davon umfasst sind z.B.:
- Das Doppelbestrafungsverbot
- Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf
- Die Unschuldsvermutung
7. Titel: Auslegung und Anwendungsbereich
Der siebte Titel der befasst sich schließlich mit der Auslegung der EU Grundrechte Charta und ihrem Anwendungsbereich. Dabei ist vor allem zu beachten, dass der Anwendungsbereich der Charta nur soweit geht wie der Anwendungsbereich des EU-Rechts. Die EU-Grundrechte Charta hat neben AEUV und EUV den Rang von EU Primärrecht. Das bedeutet die EU Grundrechte-Charta bindet einerseits die EU und ihre Institutionen und andererseits die Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten sind allerdings nur dann gebunden, wenn sie selbst EU-Recht umsetzen oder in einem Bereich tätig sind, der dem EU-Recht unterfällt.
In Bereichen, die wiederum nicht dem EU-Recht unterfallen sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich auch nicht an die EU Grundrechte-Charta gebunden.
Insofern ist der Anwendungsbereich der EU Grundrechte-Charta ein beschränkter.
Weiterführende Hinweise
Hier geht es weiter zu einem Artikel über die Differenzierung zwischen EU Grundrechte-Charta und der EMRK: Was unterscheidet die EMRK von der EU-Grundrechtecharta?
Auf meinem YouTube-Kanal poste ich regelmäßig Neue Inhalte rund um die EMRK und meine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Zur EU Grundrechte-Charta gibt es auch dort bereits ein Video ((1) Was ist die EU Grundrechte-Charta? – YouTube).