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The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

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Pressefreiheit

EGMR zur Berichterstattung über Verdacht einer Mafiamitgliedschaft – Verlagsgruppe Droemer Knaur gegen Deutschland

Holger Hembach · 27. Oktober 2017 ·

Die Journalistin und Romanautorin Petra Reski hat sich als Mafia-Expertin einen Namen gemacht. In ihren Büchern beschäftigt sie sich auch mit den Geschäften und dem Einfluss der Mafia in Deutschland. Als einen mächtigen Angehörigen der Verbrecherorganisation hat sie dabei einen Erfurter Gastronomen identifiziert und in Büchern und Zeitungsartikeln benannt. Der wehrt sich gegen Reskis Einschätzung vor Gericht.

Vor kurzem führte das zu einem Streit zwischen der Journalistin und Jakob Augstein, dem Verleger des “Freitag“. Reski berichtete über einen Prozess, in dem der Restaurantbesitzer gegen die Behauptung in einem MDR-Bericht vorging, er sei ein Mitglied der Mafia. Dabei nannte sie seinen Namen; der „Freitag“ veröffentlichte den Artikel. Postwendend forderte der namentlich benannte Gastronom den „Freitag“ auf, die Nennung seines Namens zu unterlassen und machte Schadensersatzansprüche gegen die Autorin geltend. 

Der “Freitag” löschte den Artikel, ohne Rücksprache mit Petra Reski und weigerte sich, die Autorin im Verfahren über die Schadensersatzansprüche zu unterstützen. Kritiker machten geltend, es entspreche den Gepflogenheiten in solchen Fällen, dass Verlage ihren Autoren zur Seite stehen. Jakob Augstein, der Verleger des Freitag hielt dagegen, ein Verlag sei keine Rechtsschutzversicherung für schlechte Recherche. Petra Reski hat daraufhin das Geld für ihre Rechtsverteidigung per Crowdfunding gesammelt und Jakob Augstein wegen seiner Äußerungen verklagt, die sie als rufschädigend empfindet

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich nun mit einem Fall beschäftigt, der damit im Zusammenhang steht.

Sachverhalt

Petra Reski hatte 2008 ein Buch mit dem Titel „Mafia“ veröffentlicht. In diesem beschäftigte sie sich mit der Struktur der Mafia und ihren Verbindungen zu Deutschland. Sie nannte dabei auch namentlich den Besitzer eines italienischen Restaurants in Erfurt als ein mutmaßliches Mitglied der ‚Ndrangheta . Dieser sei bereits im Jahre 2000 in einem Bericht des Bundeskriminalamtes erwähnt worden. Er habe nach dem Bericht des BKA seine Laufbahn als Pizzabäcker in dem Restaurant „Da Bruno“ in Duisburg begonnen (in einem Restaurant dieses Namens fanden 2007 die Mafia-Morde von Duisburg statt; der Gatronom war aber offenbar in einem anderen Restaurant des gleichen Namens).

Er verfüge als Sponsor eines Golfklubs über gute Verbindungen. Als die Polizei sein Restaurant durchsucht habe, weil er eines Mordes verdächtig gewesen sei, hätten dort gerade der Ministerpräsident von Thüringen und der Innenstaatssekretär gegessen.

Die Autorin stützte sich für ihre Berichte auf zwei Berichte des BKA aus den Jahren 2000 und 2008. In beiden Berichten wurde der Gastronom als Mitglied der ‚Ndrangheta erwähnt. Die Berichte des BKA wurden nicht veröffentlicht.

Petra Reskis Buch erschien bei der Verlagsgruppe Droemer und Knaur.

Der Mann, der als Mafiamitglied genannt worden war, erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung seines Namens in dem Buch.

Im folgenden Hauptsachverfahren begehrte er zusätzlich Schadensersatz wegen der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts von dem Verlag, der das Buch veröffentlich hatte. Das Gericht sprach ihm Schadensersatz in Höhe von 10.000 € zu.

Es befand, der Verlag habe bei der Veröffentlichung seine journalistische Sorgfaltspflicht nicht beachtet. Er hätte dem Restaurantbesitzer die Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Auch seien die Verdachtsmomente in den Berichten des BKA sehr vage gewesen. Auch hätte die Autorin (bzw. der Verlag) berücksichtigen müssen, dass es offenbar nicht genug Beweise für eine Anklage gegeben habe. Dies hätte in dem Buch auch erwähnt werden müssen. Der Verlag könne sich auch deshalb nicht auf die Berichte berufen, weil diese nie veröffentlich worden sein.

Der Verlag bot im Verfahren Beweise für die Mafiamitgliedschaft des Klägers an. Das Gericht hielt diese Beweisangebote aber für unerheblich.

Nach einer erfolglosen Verfassungsbeschwerde legte die Verlagsgruppe Droemer Knaur eine Beschwerde beim EGMR ein.

 

Rechtliche Beurteilung

Der EGMR hatte, wie so oft, abzuwägen zwischen der Presse-  und Meinungsfreiheit und dem Recht auf Privatleben (das auch die Reputation erfasst) des Betroffenen. Er orientierte sich dabei an den Kriterien, die er in seiner Rechtsprechung entwickelt hat.

  • Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse

Der Gerichtshof erkannte an, dass Beiträge über Straftaten allgemein und die Rolle der Mafia in Deutschland von öffentlichem Interesse sind.

 

  • Thema der Berichterstattung und Bekanntheit der betroffenen Person

Der Gerichtshof geht davon aus, dass Personen die im Licht der Öffentlichkeit stehen, einen geringeren Anspruch auf Schutz haben. Er wies darauf hin, dass die deutschen Gerichte die Frage der Bekanntheit des Betroffenen nicht erörtert hatten. Der EGMR ging aber davon aus, dass der Betroffene Gastronom als Privatperson besonderen Schutz seines Rechts auf Privatleben genoss.

 

  • Art der Informationsbeschaffung und Wahrhaftigkeit der Information

der Gerichtshof unterstrich, dass auch die Berichterstattung über wichtige Themen von öffentlichem Interesse nicht völlig frei sei. Nach Art. 10 Abs. 2 bringe die Presse und Meinungsfreiheit auch Pflichten und Verantwortung mit sich. Diese Pflichten und Verantwortung hätten dann eine besondere Bedeutung, wenn eine namentlich genannte Person von der Berichterstattung betroffen sei. Wichtig sei in diesem Zusammenhang die Schwere der Diffamierung der Person und die Verlässlichkeit der Quellen, auf die sich die Berichterstattung stütze.

Einerseits habe die Autorin es in dem Buch nicht als Tatsache dargestellt, dass der Gastronom der Mafia angehöre. Andererseits ergebe es sich aus der Darstellung, dass seine Mitgliedschaft in der kriminellen Organisation sehr wahrscheinlich sei. Dies habe der Verlag aber in den Prozessen in Deutschland nicht beweisen können.

Petra Reski habe sich auf Berichte des Bundeskriminalamtes stützen können. Diese seien aber interne Berichte gewesen, die nicht für die Veröffentlichung bestimmt waren. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Journalisten Informationen aus offiziellen Berichten ohne weitere Prüfung übernehmen dürfen. Der Gerichtshof führte nun aus, dass dies nicht gelte, wenn es sich lediglich um interne Dokumente handele. Die Autorin habe deshalb ihre journalistische Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, als sie sich auf den Inhalt dieser Berichte verlassen habe.

 

  • Früheres Verhalten der Person

Der Gerichtshof stellte fest, dass es vor der Veröffentlichung des größten keine Veröffentlichungen gegeben hatte, denen zur Folge der Betroffene einen Mafioso sei.

 

  • Inhalt, Form und Konsequenzen der Veröffentlichung

Der EGMR ging davon aus, dass die Darstellung des Gastronomen als Mitglied einer gefährlichen Verbrecherorganisation dessen Ruf in erheblichem Maße beschädigte.

 

  • Höhe der Sanktion

der Gerichtshof kam zu der Auffassung, dass die Auferlegung eines Schadensersatzes in Höhe von 10.000 € den Verlag nicht unverhältnismäßig belastete bzw. keinen unverhältnismäßigen Eingriff in dessen Recht auf Meinungsfreiheit darstellte.

 

Aufgrund dieser Erwägungen stellte der EGMR keine Verletzung von Art. 10 EMRK fest. Eine Richterin des Gerichtshofs gab eine abweichende Meinung ab; sie war der Auffassung, dass die nationalen Gerichte Fehler bei der Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem Recht auf Privatleben gemacht hatten. Nach ihrer Auffassung lag einer Verletzung von Art. 10 EMRK vor.

Die abweichende Meinung findet sich im Wortlaut und in einer deutschen Übersetzung auf der Webseite von Petra Reski. Dort ist auch eine Stellungnahme der Autorin.Und ein Interview mit ihr zu dem Urteil ist hier in der Taz erschienen

 

Verlagsgruppe Droemer Knaur g. Deutschland (Beschwerde Nr. 35030/13), Urteil vom 19.10.2017

 

 

EGMR zur Unkenntlichmachung der Gesichter von Angeklagten bei der Bildberichterstattung – Axel Springer SE und RTL GmbH gegen Deutschland

Holger Hembach · 27. September 2017 ·

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat entschieden, dass es nicht grundsätzlich gegen die Pressefreiheit verstößt, wenn ein Gericht Medien verpflichtet, Bildaufnahmen des Angeklagten zu “verpixeln”. Eingelegt hatten die Beschwerde beim EGMR die Axel Springer SE und RTL. Dabei ging es um ein Strafverfahren gegen einen 28-jährigen Mann, dem vorgeworfen wurde, seine Eltern umgebracht und zerstückelt zu haben. Der Mann hatte gegenüber der Polizei ein Geständnis abgelegt. Mehrere Medien hatten darüber berichtet und dabei auch Fotos des Mannes veröffentlicht; diese Bilder waren aber größtenteils einige Jahre alt.

Der Vorsitzende Richter in dem Verfahren ordnete zunächst mündlich an, Bilder von dem Angeklagten müssten “verpixelt” werden. RTL beantragte beim Präsidenten des Landgerichts, diese Anordnung zu ändern. Daraufhin erließ der Vorsitzende Richter eine schriftliche Anordnung. Nach dieser Anordnung sollte es nur solchen Medienvertretern gestattet sein, Fotos zu machen, die zuvor schriftlich versichert hatten, dass sie das Gesicht des Angeklagten unkenntlich machen würden. Der Vorsitzende Richter führte aus, er müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit dem Persönlichkeitsrecht des Angeklagten abwägen. Das Verbrechen, um das es gehe, sei ungewöhnlich. Dennoch habe die Tat kein bundesweites Aufsehen erregt. Da der Angeklagte niemals im Licht der Öffentlichkeit gestanden habe und die Öffentlichkeit auch nicht selbst gesucht habe, sei es auch im Interesse der Unschuldsvermutung geboten, sein Gesicht auf Bildern unkenntlich zu machen.

Die Axel Springer SE und RTL erhoben zunächst erfolglos eine Gegenvorstellung und legten dann eine Verfassungsbeschwerde ein, die ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

Der EGMR prüfte einen Verstoß gegen den Grundsatz der Pressefreiheit, der in Art. 10 EMRK verankert ist. Es war unstreitig, dass die Anordnung des Vorsitzenden der Pressefreiheit beschränkte. Die Frage war lediglich, ob diese Beschränkung gerechtfertigt war. Eine Beschränkung der in Art. 10 garantierten Rechte ist möglich, wenn

  • es eine hinreichende gesetzliche Grundlage gibt
  • die Beschränkung einem legitimen Ziel dient
  • sie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist

Die Anordnung des Vorsitzenden Richters war auf § 176 GVG geschützt gewesen. Nach dieser Vorschrift obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem Vorsitzenden. Die Beschwerdeführer bezweifelten, dass dies eine hinreichend präzise gesetzliche Grundlage für einen Eingriff in die Pressefreiheit sei. Das überzeugte den Gerichtshof nicht. Er räumte ein, dass die Vorschrift nicht sonderlich genau formuliert sei; sie könne dies aber auch nicht sein, weil nicht alle Situationen, mit denen ein Vorsitzende Richter bezüglich der Ordnung in der Hauptverhandlung konfrontiert sein können vorhersehbar seien. Darüber hinaus sei § 176 GVG durch die Rechtsprechung, vor allem durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, hinreichend konkretisiert.

Das legitime Ziel der Beschränkung der Pressefreiheit sah der EGMR im Schutz der Persönlichkeitsrechte des Angeklagten.

Der Schwerpunkt der Prüfung durch den Gerichtshof lag auf der Frage, ob die Beschränkung in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen sei. Hier sei abzuwägen zwischen dem Recht des Betroffenen auf den Schutz seiner schwarz wäre und dem Interesse der Öffentlichkeit, über den Fall informiert zu werden. Im Rahmen dieser Abwägung seien die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

  • ob die  Berichterstattung zu einer Debatte von öffentlichem Interesse beitrage
  • die öffentliche Bekanntheit des Betroffenen
  • der mögliche Einfluss der Berichterstattung auf das Verfahren
  • die Umständen unter denen die Fotos des Betroffenen gemacht worden seien
  • der Inhalt, die Form und die Konsequenzen der Berichterstattung
  • der Umfang der gerichtlichen Anordnung und die in ihr angedrohten Sanktionen

 

Aufgrund dieser Kriterien gelangte der Gerichtshof zu der Auffassung, dass der Vorsitzende Richter in zutreffender Weise zwischen dem Schutz der Privatsphäre des Angeklagten und dem Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung abgewogen habe. Die Anordnung, das Gesicht des Angeklagten auf Fotos unkenntlich zu machen verstoße daher nicht gegen Art. 10.

Das Urteil besagt allerdings nicht, dass eine solche Anordnung immer zulässig wäre. Es ist stets einer Abwägung erforderlich, die anhand der Kriterien erfolgen muss, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelt hat.

EGMR, Axel Springer SE und RTL GmbH gegen Deutschland, Urteil vom 21.07.2017, Beschwerde Nr. 51405/12

 

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte prüft Fall von inhaftierten “Cumhuriyet”-Journalisten

Holger Hembach · 14. Juni 2017 ·

Der Europäische Gerichtshof Menschenrechte hat den Fall von zehn Journalisten der Zeitung „Cumhuriyet“ an die türkische Regierung „kommuniziert“. Das bedeutet, dass der Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Beschwerde der Journalisten einer näheren Prüfung bedarf. Wenn das der Fall ist, informiert der Gerichtshof den Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet, von der Beschwerde. Er übersendet eine Zusammenfassung der Fakten und stellt Fragen zu rechtlichen Aspekten, aus seiner Sicht besonders bedeutsam für die Entscheidung des Falles sind. Die Beschwerdeführer und die türkische Regierung haben jetzt die Gelegenheit, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Die Rechtsfragen, die der Gerichtshof aufgeworfen hat, könnten auch für den Fall des Journalisten Denis Yücel von Bedeutung sein.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind Journalisten und Redakteure der Zeitung „Cumhuriyet“. Im Oktober 2016 durchsuchte die Polizei ihre Wohnungen beschlagnahmte ihre Computer sowie andere Materialien. Neun der zehn Beschwerdeführer wurden am gleichen Tage verhaftet. Sie wurden verdächtigt, Straftaten im Namen der türkischen Arbeiterpartei PKK und der Güllebewegung zu haben.

Sie legten am gleichen Tage Beschwerde gegen ihre Haft ein und verlangten auf freien Fuß gesetzt zu werden. Der Friedensrichter in Istanbul wies ihre Beschwerde zurück. Die Staatsanwaltschaft vernahm sie. Die Beschwerdeführer machten geltend, sie gehörten keiner illegalen Organisation an Berichten sich auf die Meinung und Pressefreiheit.

Die Staatsanwaltschaft beantragte beim zuständigen Richter die Beschwerdeführer in Untersuchungshaft zu nehmen. Der Friedensrichter ordnete die Untersuchungshaft an. Zehn Tage später legten die Beschwerdeführer Haftbeschwerde ein. Der Friedensrichter wies diese zurück. In der Folge legten der Beschwerdeführer mehrfach Haftbeschwerde ein, die jeweils vom Friedensrichter im Dezember 2016 legten die Beschwerdeführer eine Beschwerde beim Verfassungsgericht ein sie machten eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit und ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit geltend. Sie trugen auch vor, sie würden aus anderen Gründen in Haft gehalten, als von der türkischen Verfassung vorgesehen. Das türkische Verfassungsgericht hat über die Beschwerde noch nicht entschieden

April 2017 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft führte aus, die Beschwerdeführer hätten manipulative und destruktive Informationen ihre Zeitung hätte Aussagen von Führern terroristische Organisationen veröffentlicht und versucht die Türkei international in Misskredit zu bringen. Die Artikel hätten sich nicht im Rahmen der Pressefreiheit bewegt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätten die Beschwerdeführer versucht, im Wege eines asymmetrischen Krieges die öffentliche Meinung zu manipulieren und den Präsidenten und die Regierung als Zielscheibe präsentiert.

Der Beschwerdeführer legten Beschwerden beim EGMR ein. Sie beriefen sich im Wesentlichen auf eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit nach Art. 5 EMRK. Darüber hinaus machten sie eine Verletzung ihrer Meinung und Pressefreiheit geltend.

Fragen des Gerichtshofs

Wie gesagt, gibt der Gerichtshof den Parteien die Gelegenheit, zu besonders wichtigen rechtlichen Aspekten des Falles Stellung zu nehmen. Die erste Frage, die er stellte war die, ob der Beschwerdeführer alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Beschwerden beim Gerichtshof sind erst dann zulässig, wenn man zuvor auf nationaler Ebene alle effektiven Rechtsmittel in Anspruch genommen hat, die einem zur Verfügung standen. Die Frage ist hier also ob die Beschwerdeführer die Entscheidung des Verfassungsgerichts hätten abwarten müssen und ob es noch andere rechtliche Möglichkeiten gab, die sie hätten in Anspruch nehmen müssen.

Die zweite Frage des Gerichtshofs bezieht sich auf die Verfassungsbeschwerde. Nach § 5 Abs. 4 EMRK hat jede Person das Recht, eine gerichtliche Entscheidung darüber zu beantragen, ob ihre Festnahme rechtmäßig ist. Der Artikel sieht auch vor, dass das Gericht innerhalb “kurzer Frist” über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet. Hier warf der EGMR die Frage auf, ob die Dauer des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht noch als kurze Frist im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann.

Der Gerichtshof fragte auch, ob es eine hinreichende rechtliche Grundlage für die Untersuchungshaft der Beschwerdeführer gibt und ob die türkischen Gerichte die Untersuchungshaft hinreichend begründet haben. Die Konvention verlangt, dass es für Untersuchungshaft eine hinreichende gesetzliche Grundlage gibt. Dem ist aber nicht bereits genüge getan, wenn nominell ein Gesetz herangezogen werden kann, um die Haft zu rechtfertigen.

Vielmehr müssen auch inhaltlich bestimmte Anforderungen erfüllt sein, damit die Haft rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Daher wird der Gerichtshof die Frage auf, ob die Beweise in den Akten ausreichen, um einen objektiven Beobachter davon zu überzeugen, dass die Beschwerdeführer eine Straftat begangen hätten.

Interessant ist auch, dass der Gerichtshof Frage stellt, ob die Haft der Beschwerdeführer andere Zwecke verfolgt, als in der EMRK vorgesehen. Er bezieht sich dabei auf Art. 18 EMRK. Die Konvention lässt es bei bestimmten Rechten zu, dass diese beschränkt werden (beispielsweise kann das Recht auf Freiheit beschränkt werden, wenn es dazu eine gerichtliche Entscheidung auf einer gesetzlichen Grundlage). Art. 18 EMRK sieht vor, dass eine Beschränkung der Rechte aber nur dann zulässig ist, wenn sie tatsächlich dem Zweck dient, der in der Konvention vorgesehen ist. So lässt die EMRK eine Beschränkung des Rechts auf Freiheit zu, wenn dies der Verhinderung der Flucht eines Beschuldigten dient. Die Untersuchungshaft darf aber nicht instrumentalisiert werden, um einen missliebigen Journalisten aus dem Verkehr zu ziehen. Der Gerichtshof befasst sich offenbar mit der Möglichkeit, dass dies hier geschieht.

Schließlich wirft der Gerichtshof auch die Frage nach der Rolle der Pressefreiheit und nach ihrer möglichen Verletzung auf.

Alle diese Fragen werden voraussichtlich auch im Verfahren über die Beschwerde von Denis Yücel eine Rolle spielen

Rechtsanwalt Holger Hembach