Untersuchungshaft ist Freiheitsberaubung an einem Unschuldigen, hat ein bekannter Jurist einmal gesagt. Diese Freiheitsberaubung kann gerechtfertigt sein, beispielsweise um zu gewährleisten, dass der Angeklagte auch tatsächlich zur Hauptverhandlung erscheint. Es muss aber verfahrensrechtliche Garantien geben, damit die Untersuchungshaft auf das Maß begrenzt wird, das unbedingt erforderlich ist. Solche Verfahrensgarantien erhält auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Eine davon ist das Recht auf eine Überprüfung der Haft durch ein Gericht innerhalb kurzer Frist, das in Art. 5 Abs. 4 EMRK verankert ist. Der EGMR hat im Fall Patalakh gegen Deutschland einen Verstoß gegen dieses Recht festgestellt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte sich mehrere Monate Zeit gelassen, über die Fortdauer der Untersuchungshaft zu entscheiden.
Der Beschwerdeführer war russischer Staatsbürger. Gegen ihn wurde im Oktober 2013 wegen des Verdachts verschiedener Wirtschaftsstraftaten Haftbefehl erlassen. Am gleich Tag wurde er verhaftet. Das Gericht ordnete die Untersuchungshaft an. Es ging von Fluchtgefahr aus. Die Frau des Beschwerdeführers, die mitangeklagt war, sei ebenfalls russische Staatsbürgerin und habe kaum Bindungen zu Deutschland, so dass die Möglichkeit bestehe, dass die beiden das Bundesgebiet verlassen könnten. Darüber hinaus bestehe Verdunkelungsgefahr.
Im September 2014 erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen ihn und im Juli 2016 verurteilt ihn das Landgericht Darmstadt zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und sechs Monaten. Das Urteil des Landgerichts war zur Zeit des Urteils dem EGMR noch nicht rechtskräftig.
Der Beschwerdeführer hatte frühzeitig begonnen, Rechtsmittel gegen seine Untersuchungshaft einzulegen. Im Juli 2014 fand eine Haftprüfung durch das Oberlandesgericht statt. Das Gericht ordnete die Fortdauer der Haft an und entschied, dass ihm die Akte im Oktober zur erneuten Prüfung wieder vorgelegt werden sollte. Für die Zwischenzeit übertrug es die Zuständigkeit für weitere Entscheidungen die Haft betreffend auf das Landgericht.
Der Beschwerdeführer erhob Gegenvorstellung und eine Gehörsrüge.
Der Beschwerdeführer legte auch Verfassungsbeschwerde gegen seine Untersuchungshaft ein. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Beschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung an.
Der Beschwerdeführer legte erneut Rechtsmittel gegen die Untersuchungshaft ein. Im Dezember 2014 entschied das Landgericht, das Rechtsmittel sei prozessual überholt, weil im Oktober eine regelmäßige Haftprüfung durch das Oberlandesgericht anstehe und daher die Zuständigkeit auf das Oberlandesgericht übergegangen sei.
Im Oktober beantragte die Staatsanwaltschaft die Verlängerung der Untersuchungshaft. Der Beschwerdeführer beantragte im November die Aufhebung des Haftbefehls. Er beantragte auch, dass das Oberlandesgericht zunächst über die Gegenvorstellung und seine Gehörsrüge entscheiden möge, die er nach der Entscheidung im Juli eingelegt hatte.
Das Gericht wies die Haftbeschwerde zurück und lehnte die Gehörsrüge ab.
Der Beschwerdeführer beantragte die Mitteilung der Namen der zuständigen Richter am Oberlandesgericht. Als ihm die Namen mitgeteilt wurden, lehnte er zwei der drei Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte u.a. geltend, sie hätten rund zweieinhalb Monate gebraucht, um über seine Haftbeschwerde und seine Gehörsrüge zu entscheiden. Dies komme einer willkürlichen Sachbehandlung gleich. Am 30.Dezember wies das Oberlandesgericht die Befangenheitsanträge ab.
Im März 2015 sandte der Verteidiger des Beschwerdeführers zwei Umfangreiche Stellungnahmen an das Oberlandesgericht, die er in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Darmstadt abgegeben hatte. Er beantragte, dass das Gericht diese berücksichtige möge, wenn es über die Fortdauer der Haft entscheide. Er beantragte auch, dass das OLG Frankfurt zügig entscheiden möge.
Rund einen Monat später legte der Beschwerdeführer erneut Verfassungsbeschwerde ein, weil das OLG Frankfurt immer noch keine Entscheidung über die Untersuchungshaft getroffen hatte. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde, gewohnt souverän, nicht zur Entscheidung an.
Ungefähr drei Wochen später wurde dem Verteidiger des Beschwerdeführers eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt über die Untersuchungshaft zugestellt. Es hatte diese wenige Tage getroffen bevor der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde eingelegt hatte.
Das OLG Frankfurt ordnete die Fortdauer der Untersuchungshaft an. Es setzt sich in der Entscheidung nicht mit der Dauer des Verfahrens über die Prüfung der Fortdauer der Haft.
Der Beschwerdeführer legte eine Beschwerde beim EGMR ein. Der EGMR prüfte, ob das Recht des Beschwerdeführers auf eine Prüfung der Haft in angemessener Frist verletzt war. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass er nach Art. 5 Abs. 4 EMRK ein Recht darauf habe, dass die Notwendigkeit der Untersuchungshaft regelmäßig geprüft werde. Nach deutschem Recht sei eine solche Prüfung alle drei Monate vorgesehen, wenn die Dauer der Untersuchungshaft einmal sechs Monat überschritten habe.
Der Gerichtshof führte aus, dass der Begriff der Überprüfung innerhalb kurzer Frist nicht durch eine bestimmte Zeitspanne definiert sei. Ob die Überprüfung der Haft noch innerhalb kurzer Frist erfolge, müsse anhand aller Umstände des Einzelfalles bestimmt werden. Es sei jedoch besondere Eile geboten, wenn eine Hauptverhandlung bevorstehe, denn es solle gewährleistet werden, dass dem Betroffenen die Unschuldsvermutung zugute komme.
Bei der Prüfung könne auf zwei verschiedene Zeiträume abgestellt werden: Auf die Zeitintervalle zwischen den Entscheidungen des Oberlandesgerichts oder auf die Zeit, die von der Anhängigkeit der Sache beim OLG bis zur Entscheidung vergehe. Was den zweiten Gesichtspunkt angehe, sei dauere der relevante Zeitraum vom 24.Oktober bis zur. Zustellung der Entscheidung am 15.Mail. Es habe damit sechseinhalb Monate gedauert. Dies sei prima facie nicht mit den relativ strengen Anforderungen vereinbar, die der Gerichtshof im Bereich der Prüfung von Untersuchungshaft aufgestellt habe.
Unter diesen Umständen obliege es dem Staat, die Verzögerung zu erklären und außergewöhnliche Umstände vorzutragen, die die Zeitspanne rechtfertigten.
Der Gerichtshof erkannte an, dass die Verzögerung von Oktober bis Januar durch zwei Befangenheitsanträge verursacht worden seien, die in verfahrensmäßig richtiger Weise nach Anhörung aller Beteiligten hätten bearbeitet werden müssen. Dies habe zu einer gerechtfertigten Verzögerung geführt.
Was den Zeitraum von Januar bis Mai betreffe, habe die letzte Entscheidung im Januar bereits mehr als sechs Monate zurückgelegen und der Beginn der regelmäßigen Haftprüfung rund drei Monate. Unter diesen Umständen hätte das Verfahren besonders schnell vorangetrieben werden müssen.
Der Gerichtshof habe in seiner Rechtfertigung recht strenge Anforderungen an die Prüfung der Haft innerhalb kurzer Frist aufgestellt. Im Hinblick auf diese strengen Kriterien könne auch die Komplexität des Falles die Dauer des Verfahrens nicht rechtfertigen.
Der Gerichtshof stellte eine Verletzung von Artikel 5 EMRK fest.