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The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

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Art. 5 EMRK

EGMR gibt Verfahrensbeteiligten im Fall Deniz Yücel Gelegenheit zur Stellungnahme

Holger Hembach · 25. Juli 2017 ·

Verschiedene Medien haben bereits darüber berichtet: Im Fall von Deniz Yücel hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Verfahrensbeteiligten zu einer Stellungnahme aufgefordert.Das Schreiben des Gerichtshofs ist jetzt veröffentlicht (hier)

Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Auffassung ist, dass eine Beschwerde näherer Prüfung bedarf, „kommuniziert“ er diese.

Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer und der Staat, gegen den sich die die Beschwerde richtet, ein sogenanntes „statement of the facts“ erhalten (oder ein Exposé des faits, wenn das Verfahren auf Französisch geführt wird, wie im Falle Yücels). In diesem fasst der Gerichtshof den Sachverhalt zusammen. Darüber hinaus weist er auf die wesentlichen Rechtsfragen hin und gibt den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen.  Diese Rechtsfragen sind in Yücels Fall weitgehend die gleichen wie im Fall der Cumhuriyet-Journalisten, über den ich bereits früher berichtet hatte.

 

Sachverhalt:

Die Umstände, die zur Verhaftung von Deniz Yücel geführt haben, fasst der Gerichtshof wie folgt zusammen:

2016 verschaffte die Hackergruppe „Red Hack“ sich Zugang zu E-Mails des türkischen Energieministers. Im Dezember 2016 veröffentlichte Wikileaks mehr als 50.000 dieser E-Mails.

Im Februar 2017 erfuhr Deniz Yücel, dass gegen ihn ermittelt wurde. Er begab sich deshalb nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft zu einer Polizeistation. Dort eröffnete man ihm, dass er der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, des illegalen Besitzes persönlicher Daten und des Eindringens in Computersysteme verdächtigt würde. Yücel erklärte, dass er gegenüber der Staatsanwaltschaft Fragen beantworten würde. Dennoch wurde er nicht zur Staatsanwaltschaft gebracht, sondern in Haft genommen. Ihm wurde Akteneinsicht verweigert.

Yücel legte sowohl gegen seine Haft als auch gegen die Verweigerung der Akteneinsicht Rechtsmittel ein. Der Friedensrichter wies beide zurück.

Im Februar befragte ihn ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Istanbul. Die Fragen betrafen vor allem mehrere Artikel, die Yücel in der Zeitung die Welt veröffentlicht hatte. Yücel erklärte, er sei Journalist und hätte keinerlei Verbindung zu terroristischen Organisationen.

Noch am gleichen Tag wurde Yücel von einem Friedensrichter in Istanbul befragt. Die Befragung erfolgte wegen des Verdachts der Propaganda für eine terroristische Organisation und der Aufstachelung des Volks zum Hass und zur Feindseligkeit. Erneut befragte der Richter Yücel vor allem zu Artikeln, die dieser veröffentlicht hatte

Der Friedensrichter ordnete die Untersuchungshaft an. Zur Begründung verwies er auf die Existenz eines starken Verdachts gegen Deniz Yücel; die Natur der Verbrechen, um die es gehe; die Strafe, die für diese Verbrechen vorgesehen sei und die Gefahr, dass andere Mittel nicht hinreichend seien, um die Anwesenheit von Denis Yücel für das Verfahren zu gewährleisten.

Anfang März 2017 legte Deniz Yücel Beschwerde gegen die Anordnung der Untersuchungshaft ein. Der Friedensrichter dieses Rechtsmittel zurück und ordnete die Fortdauer der Haft an.

Am 27. März 3017 legte Yücel Beschwerde beim Verfassungsgericht ein. Er berief sich dabei auf eine Verletzung seines Rechts auf Freiheit, seines Rechtes auf Äußerungsfreiheit und auf die Pressefreiheit. Er machte geltend, er sei aus Gründen festgenommen worden, die in der türkischen Verfassung und in der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vorgesehen seien. Er beschwerte sich über eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 (Folterverbot), Artikel 5 (Recht auf Freiheit),  Art. 6 (Recht auf ein faires Verfahren), Art. 8 (Recht auf Privatleben) und Art. 13 (Recht auf ein effektives Rechtsmittel) der EMRK.

Er beantragte auch, dass das Verfassungsgericht mit einer einstweiligen Anordnung seine Freilassung anordnen möge. Das Verfassungsgericht wies den Antrag auf einstweilige Anordnung zurück, weil die Untersuchungshaft Yücels keine Gefahr für sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit darstelle.

Die Entscheidung betrifft nur den Antrag auf eine einstweilige Anordnung. In der Hauptsache hat das Verfassungsgericht noch keine Entscheidung getroffen.

 

Rechtsfragen:

Die erste Frage, die der Gerichtshof den Parteien stellt, bezieht sich auf die Ausschöpfung innerstaatlicher Rechtsmittel.

Grundsätzlich muss ein Beschwerdeführer alle effektiven Rechtsmittel in Anspruch nehmen, die der Staat zur Verfügung stellt, bevor er eine Beschwerde beim EGMR einreichen kann. Deniz Yücel hat zwar eine Verfassungsbeschwerde eingereicht; er hat aber nicht die Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichtes in der Hauptsache abgewartet. Wahrscheinlich wird sich die Diskussion in diesem Punkt darum drehen, ob die Verfassungsbeschwerde ein effektives Rechtsmittel ist, dessen Ausgang Deniz Yücel hätte abwarten müssen.

 

Die zweite Frage bezieht sich auf den effektiven Rechtsschutz gegen Untersuchungshaft. Art. 5 Abs. 4 EMRK schreibt vor, dass jede verhaftete Person das Recht darauf hat, dass ein Gericht innerhalb kurzer Zeit über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet. Hier wirft der Gerichtshof die Frage auf, ob Deniz Yücel die Möglichkeit hatte, sich effektiv gegen die Haft zu verteidigen, obwohl ihm keine Akteneinsicht gewährt worden ist.

Darüber hinaus fragt der EGMR die Parteien, ob das Verfahren vor dem Verfassungsgericht, mit dem sich Mittel gegen die Untersuchungshaft Werte, den Anforderungen von Art. 5 Abs. 4 EMRK – vor allem, ob dieses Verfahren die erforderliche Entscheidung innerhalb kurzer Zeit gewährleisten konnte.

 

Die dritte Frage des Gerichtshofs bezieht sich auf die Gründe für die unter Suchung Haft. Art. 5 Abs. 1 verlangt, dass es für die Untersuchungshaft eine Grundlage im innerstaatlichen Recht geben muss. Hier fragt der Gerichtshof, ob die in der Akte enthaltenen Beweise gegen Yücel hinreichend waren, um einen objektiven Beobachter von einem Tatverdacht gegen ihn zu überzeugen.

 

Mit seiner vierten Frage gibt der EGMR den Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme dazu, ob die zuständigen türkischen Stellen hinreichende Gründe angegeben haben, um die Untersuchungshaft gegen Deniz Yücel zu rechtfertigen.

 

Die fünfte Frage des Gerichtshofs hat das Recht auf Schadensersatz zum Gegenstand: Art. 5 Abs. 5 EMRK sieht vor, dass jede Person, deren Recht auf Freiheit nach Art. 5 verletzt worden ist, einen Anspruch auf Schadensersatz hat. Der EGMR möchte von den Parteien wissen, ob es nach türkischem Recht eine Grundlage für einen solchen Schadensersatzanspruch gibt.

 

In seiner sechsten Frage bitte der Gerichtshof die Parteien, sich mit der Äußerungsfreiheit auseinanderzusetzen. Art. 10 EMRK garantiert jedem das Recht, seine Meinung zu äußern und Tatsachen zu verbreiten. In dieses Recht kann nur unter bestimmten Voraussetzungen eingegriffen werden, die in dem zweiten Absatz von Art. 10 EMRK geregelt sind. Der Gerichtshof möchte wissen, ob in Denis Yücels Äußerungsfreiheit eingegriffen worden ist und, falls ja, ob die Voraussetzungen erfüllt waren, unter denen dies zulässig ist.

 

Schließlich fragt der Gerichtshof mit seiner siebten und letzten Frage, ob die Inhaftierung von Deniz Yücel gegen Art. 18 EMRK verstieß. Nach dieser Vorschrift dürfen Rechte, die die EMRK garantiert, nur zu den Zwecken beschränkt werden, EMRK vorsieht. Beispielsweise darf das Recht auf Einheit Falle beschränkt werden, um zu gewährleisten, dass der Beschuldigte nicht flieh. Dagegen verstieße es gegen Art. 18, die Untersuchungshaft anzuordnen, um einen Journalisten zum Schweigen zu bringen oder um ihn als Druckmittel gegenüber Deutschland zu missbrauchen.

 

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte prüft Fall von inhaftierten „Cumhuriyet“-Journalisten

Holger Hembach · 14. Juni 2017 ·

Der Europäische Gerichtshof Menschenrechte hat den Fall von zehn Journalisten der Zeitung „Cumhuriyet“ an die türkische Regierung „kommuniziert“. Das bedeutet, dass der Gerichtshof der Auffassung ist, dass die Beschwerde der Journalisten einer näheren Prüfung bedarf. Wenn das der Fall ist, informiert der Gerichtshof den Staat, gegen den sich die Beschwerde richtet, von der Beschwerde. Er übersendet eine Zusammenfassung der Fakten und stellt Fragen zu rechtlichen Aspekten, aus seiner Sicht besonders bedeutsam für die Entscheidung des Falles sind. Die Beschwerdeführer und die türkische Regierung haben jetzt die Gelegenheit, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen. Die Rechtsfragen, die der Gerichtshof aufgeworfen hat, könnten auch für den Fall des Journalisten Denis Yücel von Bedeutung sein.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind Journalisten und Redakteure der Zeitung „Cumhuriyet“. Im Oktober 2016 durchsuchte die Polizei ihre Wohnungen beschlagnahmte ihre Computer sowie andere Materialien. Neun der zehn Beschwerdeführer wurden am gleichen Tage verhaftet. Sie wurden verdächtigt, Straftaten im Namen der türkischen Arbeiterpartei PKK und der Güllebewegung zu haben.

Sie legten am gleichen Tage Beschwerde gegen ihre Haft ein und verlangten auf freien Fuß gesetzt zu werden. Der Friedensrichter in Istanbul wies ihre Beschwerde zurück. Die Staatsanwaltschaft vernahm sie. Die Beschwerdeführer machten geltend, sie gehörten keiner illegalen Organisation an Berichten sich auf die Meinung und Pressefreiheit.

Die Staatsanwaltschaft beantragte beim zuständigen Richter die Beschwerdeführer in Untersuchungshaft zu nehmen. Der Friedensrichter ordnete die Untersuchungshaft an. Zehn Tage später legten die Beschwerdeführer Haftbeschwerde ein. Der Friedensrichter wies diese zurück. In der Folge legten der Beschwerdeführer mehrfach Haftbeschwerde ein, die jeweils vom Friedensrichter im Dezember 2016 legten die Beschwerdeführer eine Beschwerde beim Verfassungsgericht ein sie machten eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit und ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Pressefreiheit geltend. Sie trugen auch vor, sie würden aus anderen Gründen in Haft gehalten, als von der türkischen Verfassung vorgesehen. Das türkische Verfassungsgericht hat über die Beschwerde noch nicht entschieden

April 2017 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft führte aus, die Beschwerdeführer hätten manipulative und destruktive Informationen ihre Zeitung hätte Aussagen von Führern terroristische Organisationen veröffentlicht und versucht die Türkei international in Misskredit zu bringen. Die Artikel hätten sich nicht im Rahmen der Pressefreiheit bewegt. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft hätten die Beschwerdeführer versucht, im Wege eines asymmetrischen Krieges die öffentliche Meinung zu manipulieren und den Präsidenten und die Regierung als Zielscheibe präsentiert.

Der Beschwerdeführer legten Beschwerden beim EGMR ein. Sie beriefen sich im Wesentlichen auf eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit nach Art. 5 EMRK. Darüber hinaus machten sie eine Verletzung ihrer Meinung und Pressefreiheit geltend.

Fragen des Gerichtshofs

Wie gesagt, gibt der Gerichtshof den Parteien die Gelegenheit, zu besonders wichtigen rechtlichen Aspekten des Falles Stellung zu nehmen. Die erste Frage, die er stellte war die, ob der Beschwerdeführer alle innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft haben. Beschwerden beim Gerichtshof sind erst dann zulässig, wenn man zuvor auf nationaler Ebene alle effektiven Rechtsmittel in Anspruch genommen hat, die einem zur Verfügung standen. Die Frage ist hier also ob die Beschwerdeführer die Entscheidung des Verfassungsgerichts hätten abwarten müssen und ob es noch andere rechtliche Möglichkeiten gab, die sie hätten in Anspruch nehmen müssen.

Die zweite Frage des Gerichtshofs bezieht sich auf die Verfassungsbeschwerde. Nach § 5 Abs. 4 EMRK hat jede Person das Recht, eine gerichtliche Entscheidung darüber zu beantragen, ob ihre Festnahme rechtmäßig ist. Der Artikel sieht auch vor, dass das Gericht innerhalb „kurzer Frist“ über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet. Hier warf der EGMR die Frage auf, ob die Dauer des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht noch als kurze Frist im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann.

Der Gerichtshof fragte auch, ob es eine hinreichende rechtliche Grundlage für die Untersuchungshaft der Beschwerdeführer gibt und ob die türkischen Gerichte die Untersuchungshaft hinreichend begründet haben. Die Konvention verlangt, dass es für Untersuchungshaft eine hinreichende gesetzliche Grundlage gibt. Dem ist aber nicht bereits genüge getan, wenn nominell ein Gesetz herangezogen werden kann, um die Haft zu rechtfertigen.

Vielmehr müssen auch inhaltlich bestimmte Anforderungen erfüllt sein, damit die Haft rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Daher wird der Gerichtshof die Frage auf, ob die Beweise in den Akten ausreichen, um einen objektiven Beobachter davon zu überzeugen, dass die Beschwerdeführer eine Straftat begangen hätten.

Interessant ist auch, dass der Gerichtshof Frage stellt, ob die Haft der Beschwerdeführer andere Zwecke verfolgt, als in der EMRK vorgesehen. Er bezieht sich dabei auf Art. 18 EMRK. Die Konvention lässt es bei bestimmten Rechten zu, dass diese beschränkt werden (beispielsweise kann das Recht auf Freiheit beschränkt werden, wenn es dazu eine gerichtliche Entscheidung auf einer gesetzlichen Grundlage). Art. 18 EMRK sieht vor, dass eine Beschränkung der Rechte aber nur dann zulässig ist, wenn sie tatsächlich dem Zweck dient, der in der Konvention vorgesehen ist. So lässt die EMRK eine Beschränkung des Rechts auf Freiheit zu, wenn dies der Verhinderung der Flucht eines Beschuldigten dient. Die Untersuchungshaft darf aber nicht instrumentalisiert werden, um einen missliebigen Journalisten aus dem Verkehr zu ziehen. Der Gerichtshof befasst sich offenbar mit der Möglichkeit, dass dies hier geschieht.

Schließlich wirft der Gerichtshof auch die Frage nach der Rolle der Pressefreiheit und nach ihrer möglichen Verletzung auf.

Alle diese Fragen werden voraussichtlich auch im Verfahren über die Beschwerde von Denis Yücel eine Rolle spielen

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