Die Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte hat das Unternehmen Anvil Mining aufgefordert, sich an den Zahlungen für Schadensersatz und Wiedergutmachung an die Opfer eines Massakers in der Demokratischen Republik Kongo zu beteiligen.
Die Anvil Mining ist ein Unternehmen, das in Australien und Kanada registriert ist. Es ist im Kongo im Bereich des Abbaus von Kupfer tätig. Im Jahre 2004 besetzte eine kleine Gruppe kurzfristig die Stadt Kilawa im Osten des Kongo. Die Gruppe hatte ca. 10 Mitglieder. Diese waren nur leicht bewaffnet und gaben an, Mitglieder einer Rebellengruppe zu sein, deren Name bis dahin unbekannt gewesen war. Anvil betrieb eine Kupfermine in der Nähe der Stadt Kilawa
Die kongolesische Armee (FARDC) griff die Stadt an, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Dabei übte die 62. Brigade der Armee, die den Angriff durchführte, exzessive Gewalt aus. 73 Menschen verloren ihr Leben, über 20 davon durch außergerichtliche Exekutionen. Es kam zu Plünderungen und Freiheitsberaubungen.
Nach Aussagen von Augenzeugen wurden die Soldaten der kongolesischen Armee mit Fahrzeugen der Anvil Mining in das Gebiet gebracht. Das Unternehmen bestätigte das später, unter anderem im Rahmen einer Untersuchung des Vorfalls durch die UN Mission in der Demokratischen Republik Kongo (MONUC).
Die Zeugen berichteten auch, dass Fahrzeuge von Anvil Mining benutzt worden seien, um Leichen und geplünderte Güter abzutransportieren. Das Unternehmen bestritt dies.
Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen mehrere Personen wegen Verstößen gegen internationales Recht. Unter den Angeklagten waren neben Soldaten auch drei Mitarbeiter von Anvil Mining. Ein Militärgericht sprach die Mitarbeiter (sowie neun weitere Angeklagte) aber frei.
Angehörige von Opfern erstatteten Strafanzeige in Australien; die Ermittlungen wurden dort aber nach dem Freispruch im Kongo eingestellt.
Daraufhin unterstützte sie 2010 eine kanadische Menschenrechtsorganisation bei der Einreichung einer Klage in Kanada, wo Anvil Mining ebenfalls registriert ist. Der Kanadische Supreme Court entschied jedoch in letzter Instanz, dass kanadische Gerichte für den Fall nicht zuständig seien.
Ebenfalls im Jahr 2010 legten Angehörige der Opfer eine Beschwerde bei der Afrikanischen Menschenrechtskommission ein. Diese entschied schließlich im Dezember 2017, dass die Demokratische Republik Kongo ihre Pflicht verletzt habe, Menschenrechte angemessen zu schützen. Die Entscheidung setzte sich auch mit der Rolle der Anvil Mining auseinander (die Entscheidung ist noch nicht veröffentlicht; es gibt bislang nur Pressemitteilungen und Berichte von Nichtregierungsorganisationen, vor allem der Organisation „Rights and Accountability in Development“ (RAID), die Angehörige der Opfer unterstützt hat.
Die Afrikanische Menschenrechtskommission konnte keine Entscheidung treffen, die für das Unternehmen direkt Rechtswirkungen hat. Denn sie ist für die Einhaltung der Afrikanischen Menschenrechtscharta sowie anderer internationaler Verträge über Menschenrechte zuständig. Diese richten sich aber immer an Staaten. Nur gegenüber Staaten begründen sie Pflichten. Dementsprechend konnte die Kommission nur eine Entscheidung fällen, die gegenüber der Demokratischen Republik Kongo wirksam war. Sie verpflichtete den Kongo zum Schadensersatz.
Gleichzeitig macht sie aber deutlich, dass die Kommission von einer Mitverantwortung von Anvil Mining ausgeht. Daher wandte sie sich nun in einem Brief an das Unternehmen und forderte es auf, sich an den Zahlungen von Schadensersatz an die Angehörigen der Opfer zu beteiligen. Die Kommission hat angekündigt, über Reaktionen von Anvil sofort zu berichten.
Der Fall wirft in mehrerlei Hinsicht ein Schlaglicht auf Probleme des internationalen Schutzes der Menschenrechte.
Einerseits beleuchtet er einmal mehr die Rolle von Unternehmen. Häufig arbeiten Regierungen und Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen Hand in Hand. Es fehlen aber rechtliche Instrumente, um Unternehmen für ihre Rolle zur Verantwortung zu ziehen. Internationale Menschenrechte binden nach derzeitigem Verständnis zur Staaten. Daher haben internationale Gerichte keine Handhabe gegen Unternehmen. Die Gerichte in den Heimatländern der Unternehmen betrachten sich als nicht zuständig und die Gerichte der Länder, in denen die Verletzungen begangen wurden sind oft anfällig für Korruption und nicht wirklich unabhängig.
Allerdings beleuchtet der Fall auch ein anderes Defizit des Menschenrechtsschutzes in Afrika: Es dauerte sieben Jahre, bis die Afrikanische Menschenrechtskommission eine Entscheidung fällte. Das, obwohl die Regierung des Kongo sich nicht am Verfahren beteiligte und obwohl die Kommission keine mündliche Verhandlung durchführte. Obwohl die Entscheidung der Kommission als Grundsatzentscheidung gilt, ist sie immer noch nicht auf der Webseite der Kommission verfügbar. Ein effektiver Schutz der Menschenrechte erfordert aber auch, dass die Kommission ihr Verfahren effektiv gestaltet und Opfer innerhalb vernünftiger Fristen zu ihrem Recht kommen.