• Zur Hauptnavigation springen
  • Skip to main content
The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

  • Beschwerden beim EGMR
  • Rechtsanwalt
  • EMRK
    • Artikel 8 EMRK
    • Artikel 10 EMRK
    • Recht auf Eigentum nach Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK
    • Margin of appreciation (“Einschätzungsspielraum”)
    • Was unterscheidet die EMRK von der EU-Grundrechtecharta?
    • Was ist die EU Grundrechte-Charta?
  • Kosten
  • Blog
  • Buch
  • Kontakt
  • Show Search
Hide Search

Verletzung des Rechts auf Eigentum durch Entziehung einer gutgläubig erworbenen Wohnung – Strekalev gegen Russland

Holger Hembach · 20. April 2017 ·

Im Fall Strekalev gegen Russland hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung des Rechts auf Eigentum festgestellt. Darüber hinaus hat er sich auch zu einer Frage der Berechnung der Frist für Beschwerden beim EGMR geäußert.

 

Sachverhalt:

Der Fall betraf den Entzug des Eigentums an einer Wohnung, die der Beschwerdeführer gutgläubig erworben hatte. Die Wohnung in Moskau war zunächst staatliches Eigentum. Sie wurde Bürgern unter bestimmten Voraussetzungen als Mieter zur Verfügung gestellt. Die Mutter und ihr Sohn starben; ihr Name blieb aber im Verzeichnis der berechtigten Mieter. Dies machte sich ein Dritter zunutze: er beantragte, die Wohnung mit der Mutter und dem Sohn tauschen zu können. Die Wohnungsbehörde gab diesem Antrag statt. Kurze Zeit später zog er in die Wohnung ein. Wenige Monate danach wurde ihm die Wohnung im Rahmen der Privatisierung übertragen. Er verkaufte sie an den Beschwerdeführer. Dieser ahnte nicht, dass der Verkäufer sich das Eigentum in betrügerischer Weise verschafft hatte.

Die Polizei eröffnete ein Ermittlungsverfahren gegen den Verkäufer. Nachdem sich bestätigt hatte, dass der dritte die Wohnung im Rahmen der Privatisierung durch einen Betrug erlangt hatte, beantragte sie, dass der Beschwerdeführer die Wohnung zurückgeben müssen. Als dieser sich weigerte er erhob sie Klage.

Der Beschwerdeführer legte Widerklage ein und beantragte, ihm den Kaufpreis für die Wohnung als Schadensersatz zuzusprechen. Das Gericht wies diese Klage zunächst als verfrüht ab. Es entschied, dass dem Beschwerdeführer das Eigentum an der Wohnung entzogen werden müsse. Das Urteil wurde am 24.10.2006 rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer erhob erneut Klage auf Schadensersatz. Diese Klage wurde abgewiesen. Das Gericht sah keinen rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Schaden des Beschwerdeführers und dem Verhalten des Staates. Das Urteil wurde am 18.09.2008 rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer legte am 09.03.2009 Beschwerde beim EGMR ein.

 

Rechtliche Würdigung:

Der Gerichtshof prüfte zunächst auf der Beschwerdeführer die Beschwerde beim EGMR fristgemäß eingelegt hatte. Beschwerden beim EGMR müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten eingelegt werden (diese Frist wird sich auf vier Monate verkürzen, wenn das 15. Protokoll zur EMRK in Kraft getreten ist).

Die Frist beginnt mit der Entscheidung über das letzte effektive Rechtsmittel auf nationaler Ebene zu laufen. Für Beschwerdeführer bedeutet das oft ein Dilemma: einerseits sind sie verpflichtet, alle effektiven Rechtsmittel in ihrem eigenen Land auszuschöpfen. Erst wenn es auf nationaler Ebene keine rechtlichen Möglichkeiten mehr gibt, ist eine Beschwerde beim EGMR er zulässig. Andererseits beginnt die Frist mit der Entscheidung über das letzte effektive Rechtsmittel. Welches Rechtsmittel als effektiv anzusehen ist, ist aber nicht immer klar. Stehen mehrere Rechtsmittel zur Verfügung und nimmt der Beschwerdeführer eines nicht in Anspruch, dann läuft er Gefahr, dass der Gerichtshof die Beschwerde als unzulässig ablehnt weil der Rechtsweg noch nicht erschöpft sei. Entschließt er sich dagegen ein bestimmtes Rechtsmittel noch zu versuchen, kann es passieren, dass der Gerichtshof dieses als nicht effektiv ansieht und die Frist mit der Entscheidung über ein anderes Rechtsmittel zu laufen begann. Die Folge ist dann häufig, dass die Beschwerde beim EGMR nach Ablauf der Sechsmonatsfrist eingeht.

Die entscheidende Frage ist also, welches Rechtsmittel effektiv ist.

Die russische Regierung machte geltend, die Beschwerde sei verspätet. Durch die Klage auf Schadensersatz hätte der Beschwerdeführer keine Möglichkeit gehabt, das Eigentum an der Wohnung wieder zu erlangen. Daher sei diese Klage kein effektives Rechtsmittel gewesen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde müsse deshalb von dem Zeitpunkt an berechnet werden, zu dem rechtskräftig entschieden worden sei, den Beschwerdeführer das Eigentum zu entziehen – also ab dem 24.10.2006. Da die Beschwerde erst im März 2009 eingereicht worden sei, sei sie nach Ablauf der Frist eingelegt worden.

Der EGMR ließ sich von diesem Argument nicht überzeugen. Nach seiner Auffassung hatte die Frist erst mit der Entscheidung über die Klage auf Schadensersatz zu laufen begonnen. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer unverzüglich versucht habe, Schadensersatz geltend zu machen. Diese Klage sei zunächst als verfrüht zurückgewiesen worden. Daraufhin habe er die Klage nach der Entscheidung über die Entziehung der Wohnung erneut eingereicht. Aus dem Vorbringen der russischen Regierung ergebe sich nichts, was darauf hindeute, dass dieses Rechtsmittel nicht effektiv sei. Daher habe die Frist mit der Entscheidung über die Klage auf Schadensersatz zu laufen begonnen – also im September 2009.

Allerdings ist die Argumentation des Gerichtshofs in diesem Punkt eher dünn. Zumindest lassen sich ihr keine klaren Kriterien entnehmen, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsmittel effektiv ist. Anstelle einer Begründung wiederholt der Gerichtshof im Wesentlichen den Sachverhalt; zusätzlich weist er lediglich darauf hin, dass die russische Regierung nicht vorgetragen habe, weshalb die Klage auf Schadensersatz nicht effektiv sei. Tatsächlich hatte die Regierung aber darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer durch die Klage das Eigentum nicht hätte wiedererlangen können. Hieraus ergebe sich die mangelnde Effektivität.

In der Sache prüfte der EGMR dann eine Verletzung des Rechts auf Eigentum nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK. Er stellte fest, dass die Entziehung des Eigentums an der Wohnung einen Eingriff in das Recht auf Eigentum darstelle. Der betrügerische Erwerb des Eigentums durch den Verkäufer sei aufgrund von Regeln möglich geworden, die allein in der Zuständigkeit des Staates lägen. Dieser trage daher auch die Verantwortung für Fehler im Rahmen dieses Prozesses.

Die Entziehung des Eigentums sei ohne irgendeine Kompensation erfolgt. Damit werde der Beschwerdeführer überproportional und exzessiv belastet. Damit sei der Eingriff in das Recht auf Eigentum nicht gewährleistet; es liege eine Verletzung von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK vor.

Strekalev gegen Russland, Beschwerde Nr. 21363/09, Urteil vom 11.April 2017

 

Allgemein Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls, Frist für Beschwerden beim EGMR, Recht auf Eigentum

Rechtsanwalt Holger Hembach

  • Datenschutzerklärung
  • Impressum