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Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

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Zwangsumwandlung griechischer Staatsanleihen und Recht auf Eigentum – Mamatas gegen Griechenland

Holger Hembach · 5. August 2016 ·

Es war ja zu erwarten: Die erzwungene Umwandlung griechischer Staatsanleihen im Zusammenhang mit der Schuldenkrise hat ihren Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gefunden. Der EGMR befand, dass der Tausch ihrer Anleihen gegen Anleihen mit längerer Laufzeit und geringerem Wert einen Eingriff in das Recht auf Eigentum darstelle. Dieser sei jedoch im öffentlichen Interesse gerechtfertigt und verstoße daher nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

 

Sachverhalt:

Der EGMR prüfte die Beschwerden von 6.320 Personen. Diese hatten griechische Staatsanleihen besessen, deren Wert zwischen 10.000 € und rund 1,5 Millionen € betragen hatte.

Während der griechischen Finanzkrise wurde klar, dass ein Schuldenschnitt („haircut“) notwendig sein würde, Gläubiger also auf Teile ihrer Forderungen würden verzichten müssen. Die Verhandlungen darüber wurden zunächst hauptsächlich mit Staaten und institutionellen Anlegern wie Banken, Versicherungen, Fonds usw. geführt. Im Laufe der Zeit wurden aber Rufe immer lauter, dass auch private Anleger einen Beitrag leisten und sich an den Verhandlungen beteiligen sollten.

Griechenland schuf daraufhin eine gesetzliche Grundlage für die Umwandlung von Staatsanleihen in Anleihen mit längerer Laufzeit und geringerem Nominalwert. Damit eine solche Umwandlung erfolgen konnte, musste eine Mehrheit der Inhaber dieser Anleihen ihr zustimmen. Wenn die Mehrheit erreicht war, konnten auch die Anleihen derjenigen Inhaber umgewandelt werden, die sich gegen eine Umwandlung ausgesprochen hatten.

Bezüglich der Anleihen, die die Beschwerdeführer gehalten hatten, war eine Mehrheit zustande gekommen. Die Beschwerdeführer hatten der Umwandlung nicht zugestimmt. Dennoch wurden ihre Anleihen umgewandelt. Die Anleihen, die sie erhielten hatten einen Nominalwert, der um 53% geringer war als der ihrer ursprünglichen Anleihen. Darüber hinaus war die Laufzeit wesentliche länger.

 

Rechtliche Bewertung:

Die Beschwerdeführer hatten ihre Beschwerde auf das Recht auf Eigentum nach Artikel 1 des 1. Zusatzprotolls zur EMRK gestützt. Nach dieser Vorschrift ist Eigentum nicht immer und unter allen Umständen geschützt.  Vielmehr können sowohl Entziehungen des Eigentums als auch Beschränkungen des Eigentums zulässig sein. Derartige Beschränkungen des Rechts auf Eigentum sind aber an bestimmte Bedingungen geknüpft. Sie müssen eine gesetzliche Grundlage haben, einem legitimen Ziel im öffentlichen Interesse dienen und die Belastung für den Betroffenen darf nicht außer Verhältnis zum dem angestrebten Ziel stehen.

Der EGMR wies eingangs darauf hin, dass Staaten in ökonomischen Fragen einen weiten Einschätzungsspielraum hätten. Letztlich müssten diese entscheiden, welche Maßnahmen im öffentlichen Interesse notwendig seien, um bestimmte Ziele zu erreichen. Der Gerichtshof verwies auch darauf, dass er bereits in früheren Urteilen entschieden hatte, dass Staaten im Zusammenhang mit der Bewältigung der Finanzkrise einen besonders großen Spielraum hätten.

Der EGMR stellte fest, dass ein Eingriff in das Recht auf Eigentum vorliege. Er führte aus, dass der Begriff Eigentum sich nicht auf physischen Objekte beschränkt, sondern auch andere Interessen erfasst. Dazu gehörten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs auch berechtigte Erwartungen. Da die Erwartung legitim sei, dass ein Staat eine Anleihe zurückzahlen werde, werde sie auch durch den Schutz des Eigentums nach Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls erfasst. In dieses Recht sei durch die Zwangsumwandlung eingegriffen worden.

Der Eingriff sei jedoch nicht schwerwiegend genug, um als Enteignung angesehen zu werden. Immerhin verblieben den Beschwerdeführern letztlich rund 50% des Wertes der Anleihen. Daher sei lediglich von einer Beschränkung des Eigentums auszugehen.

Da die zwangsweise Umwandlung der Anleihen im Wege durch ein Gesetz erfolgt war, gab es eine gesetzliche Grundlage.

Der Gerichtshof ging auch davon aus, dass dieser Eingriff einem legitimen Ziel im öffentlichen Interesse gedient habe. Er habe dazu beigetragen, die Staatsschulden zu verringern und die Kosten für Zinsen usw. zu senken.

Breiteren Raum räumte der EGMR der Frage ein, ob der Eingriff die Beschwerdeführer überproportional belastet habe.

Der Gerichtshof wies darauf hin, dass der Zwangsumtausch einen Verlust von 53% des Wertes der Anleihen gegenüber dem Nominalwert der ursprünglichen Anleihen bedeutete. Hinzu komme noch die verlängerte Laufzeit. Dennoch komme dies nicht einer Auslöschung des Eigentums gleich. Bei der Berechnung des Wertverlustes sei nicht entscheidend darauf abzustellen, welchen Wert die Anleihen am Ende der Laufzeit gehabt hätten. Vielmehr komme es auf den Marktwert zum Zeitpunkt des Zwangsumtauschs an. Dieser sei aufgrund der Situation in Griechenland zu diesem Zeitpunkt bereits weit geringer gewesen als der Nominalwert.

Auch hätten die Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, die Anleihen vor dem Termin zur zwangsweisen Umwandlung zum Marktwert zu verkaufen. Darüber hinaus sei eine Anlage wie eine Anleihe immer mit gewissen Risiken behaftet und unterliege Wertschwankungen.

Schließlich stellte der EGMR noch darauf ab, dass die Beteiligung privater Gläubigerer am Schuldenschnitt notwendig gewesen sei. Die institutionellen Gläubiger hätten dies zur Bedingung gemacht; ohne eine solche Beteiligung wäre ein Schuldenschnitt nicht möglich gewesen.

Im Hinblick darauf und auf den weiten Beurteilungsspielraum der Staaten im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik sei deshalb nicht von einer überproportionalen Belastung der Beschwerdeführer auszugehen. Es liege daher keine Verletzung des Rechts auf Eigentum vor.

 

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