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The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

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EGMR: Pflicht zur Zahlung von Beiträgen an SOKA-Bau verstößt nicht gegen die EMRK

Holger Hembach · 6. Juni 2016 ·

Im Fall Geotech Kancev GmbH g. BR Deutschland hat der EGMR entschieden, dass es nicht gegen die EMRK verstößt,  wenn Bauunternehmen Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-Bau) zahlen müssen.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war ein Bauunternehmen aus Castrop-Rauxel (sie wurde im Laufe des Verfahrens insolvent, aber der Insolvenzverwalter betrieb das Verfahren weiter).  Sie setzte sich gegen die Verpflichtung zur Wehr, Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu leisten. Die SOKA-Bau umfasst die Urlaubs- und Lohnausgleichkasse der Bauwirtschaft und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Die SOKA-Bau soll Nachteile ausgleichen, die Arbeitnehmern in der Baubranche dadurch entstehen, dass die Arbeit Saison- und Witterungsabhängig ist.  Sie sichert vor allem Ansprüche auf Rente, Urlaubsansprüche und leistet Unterstützung bei der Ausbildung.  Dabei funktioniert sie nach dem Prinzip der Solidarität: Unternehmen zahlen in die Kasse der SOKA-Bau ein; die SOKA-Bau leistet Ausgleichszahlungen an Unternehmen, die bestimmte Leistungen wie Wintergeld an ihre Arbeitnehmer erbringen.

Die Arbeitgeberverbände der Bauindustrie und die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt schlossen einen Tarifvertrag, der Einzelheiten der Beiträge von Unternehmen zur SOKA Bau regelte. Die Beschwerdeführerin gehörte keinem Arbeitgeberverband an. Daher war der Tarifvertrag für sie nicht direkt verbindlich. Das Bundesarbeitsministerium erklärte den Tarifvertrag jedoch für allgemeinverbindlich. Damit wurde er nach dem Tarifvertragsgesetz auch für die Beschwerdeführerin verbindlich. Die SOKA-Bau forderte daraufhin von der Beschwerdeführerin Beiträge in Höhe von rund 63.000 Euro. Die Beschwerdeführerin setzte sich gerichtlich gegen ihre Zahlungspflicht zur Wehr. Sie wurde jedoch durch alle Instanzen verurteilt.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeführerin stützte ihre Beschwerde auf die Vereinigungsfreiheit nach Artikel 11 EMRK, andererseits auf das Recht auf Eigentum nach Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK.

Vereinigungsfreiheit (Artikel 11 EMRK)

Die Beschwerdeführerin berief sich auf die negative Vereinigungsfreiheit. Einige der Grundrechte, die die EMRK verbirgt, haben sowohl eine positive als auch eine negative Seite. Das bedeutet, dass die berechtigte Person das Recht ausüben darf, aber auch die Freiheit hat, es nicht auszuüben. Bezogen auf die Vereinigungsfreiheit heißt es also, dass man grundsätzlich die Freiheit hat, einer Vereinigung beizutreten, aber nicht dazu gezwungen werden kann. Die Beschwerdeführerin behauptete nun, der Zwang, Beiträge zur SOKA Bau zu zahlen, komme einem Zwang zur Mitgliedschaft gleich. Der Gerichtshof wies dieses Argument zurück. Er führte aus, dass das System der SOKA-Bau auf Solidarität beruhte und nur funktionieren konnte, wenn alle Bauunternehmen einen Beitrag leisteten. Er wies darauf hin, dass die Beschwerdeführerin dennoch nicht Mitglied werden musste. Vielmehr werde sie als Nichtmitglied ebenso behandelt wie die Unternehmen, die Mitglieder wären. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung, Beiträge zu leisten, in den meisten Fällen durch Erstattungsansprüche wieder aufgewogen würden, die entständen, wenn tatsächlich Leistungen erbracht würden. Daher liege kein Eingriff in die „negative Vereinigungsfreiheit“ vor.

 

Recht auf Eigentum (Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK)

Dagegen nahm der Gerichtshof an, dass die Pflicht zur Beitragszahlung in das Recht auf Eigentum eingreife. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. ER habe eine gesetzliche Basis und diene einem legitimen Ziel in allgemeinen Interesse, nämlich der Aufrechterhaltung eines gewissen Maßes an sozialer Sicherheit für die Beschäftigten der Bauindustrie.

Schließlich sei der Eingriff auch verhältnismäßig. Er stelle das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der Allgemeinheit un den Interessen der Unternehmen, in deren Recht eingegriffen werde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass den Vertragsstaaten auf den Gebieten der Wirtschaft und der sozialen Sicherheit ein weiter Einschätzungsspielraum zustehe. Dieser sei hier nicht überschritten, zumal alle Beteiligten Unternehmen umfassende Informationen über die Verteilung der Mittel etc. erhielten.

 

Allgemein Artikel 11 EMRK Artikel 1 1. Zusatzprotokoll zur EMRK, Recht auf Eigentum, Vereinigungsfreiheit

Rechtsanwalt Holger Hembach