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The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

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Durchsuchung in einer Anwaltskanzlei

Holger Hembach · 14. Juli 2012 ·

 

In dem Fall Robathin gegen Österreich hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sich mit der Durchsuchung einer Anwaltskanzlei befasst.
 
Der Beschwerdeführer war ein Wiener Anwalt. Im Jahre 2005 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Diebstahls, Betrugs und Untreue geführt. (Das Ermittlungsverfahren mündete später zu in eine Anklage und eine Hauptverhandlung; letztlich wurde der Anwalt aber von allen Vorwürfen freigesprochen.)
 
Im Rahmen diese Ermittlungsverfahrens ordnete der Ermittlungsrichter die Durchsuchung der Kanzleiräume des Beschwerdeführers und die Beschlagnahme von „Dokumenten, PCs und Disketten, Sparbüchern, Bankunterlagen, Geschenkurkunden und Testamenten zu Gunsten von Herrn Dr Heinz Robathin und jeglicher Akten betreffend R. und G. an“.
 
Bei der Durchsuchung waren ausser dem Beschwerdeführer sein Verteidiger und – da es sich bei dem Beschuldigten um einen Anwalt handelte – auch ein Vertreter der Anwaltskammer anwesend. Die Polizeibeamten, die die Kanzlei durchsuchten, kopierten sämtliche Dateien auf dem Computer des Beschwerdeführers auf Disketten. Auf eine Anregung des Vertreters der Anwaltskammer hin legten sie getrennte Disketten für die Dateien, die R. und G. betrafen einerseits und die Dateien, die andere Mandanten des Beschwerdeführers betrafen andererseits an.
 
Da der Beschwerdeführer der Durchsicht der Dateien widersprach, musste das Ratsgericht über die Zulässigkeit der Durchsicht entscheiden. Es hielt es für zulässig, die Akten Dateien zu sichten. Zur Begründung wiederholte das Gericht die Gründe, die schon im Durchsuchungsbeschluss genannt waren. Es führte aus, dass die Dateien im Rahmen eines Verfahrens gegen den Beschwerdeführer beschlagnahmt worden waren und dass die anwaltliche Schweigepflicht in einem Verfahren gegen den Anwalt keine Rolle spiele.
 
Der Anwalt legte eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein und berief sich auf Artikel 8 EMRK, der das Recht auf Privatleben, Familie, Wohnung und Korrespondenz schützt.
Der EGMR folgte seinem üblichen Ansatz bei Fällen, die Artikel 8 EMR betreffen: In einem ersten Schritt prüfte er, ob ein Eingriff in eines der durch diesen Artikel geschützten Rechte vorliegt. Sodann befasste sich der Gerichtshof mit der Rechtfertigung dieses Eingriffs.
Der Gerichtshof stellte fest, dass die Durchsuchung einen Eingriff in durch Artikel 8 EMRK geschützte Rechte darstellt.
 
Im Anschluss wandte er sich der Rechtfertigung dieses Eingriffs zu. Nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK ist ein Eingriff dann gerechtfertigt, wenn er eine gesetzliche Basis hat, einem legitimen Ziel dient und notwendig in einer demokratischen Gesellschaft ist.
 
Der EGMR führte aus, dass zwar die österreichische Strafprozessordnung keine ausdrücklichen Vorschriften für die Beschlagnahme von Dateien enthält, aber nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften über die Beschlagnahme von Gegenständen und Dokumenten auf die Beschlagnahme von Dateien Anwendung finden. Die Voraussetzungen und Grenzen dieser Vorschriften sind nach Auffassung des EGMR durch die Rechtsprechung österreichischer Gerichte hinreichend präzisiert, so dass  eine gesetzliche Grundlage, die den Erfordernissen von Artikel 8 EMR genüge, vorliege.
 
Darüber hinaus stellte der Gerichtshof fest, dass der Eingriff auch einem legitimen Ziel, nämlich der Aufklärung eines Verbrechens gedient habe.
 
Schliesslich wandte der EGMR sich der Frage zu, ob die Durchsuchung „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig” war. Hier stellt der Gerichtshof darauf ab, ob es hinreichende Sicherungsmechanismen gegen Missbrauch und Willkür gibt, beispielsweise ob die Durchsuchung auf einem richterlichen Beschluss beruht, ob ein hinreichender Tatverdacht vorgelegen hat und ob der Zweck und Umfang der Durchsuchung klar bestimmt ist.
 
Im Falle der Durchsuchung einer Anwaltskanzlei stellt der EGMR auch darauf ab, ob ein unabhängiger Beobachter anwesend ist, der sicherstellen kann, dass das Berufsgeheimnis nicht verletzt wird.
 
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte führte aus, dass der Durchsuchungsbeschluss hinsichtlich des Tatverdachtes gegen den Beschwerdeführer hinreichend präzise gewesen war. Er enthielt Angaben über Einzelheiten der angeblichen Taten, ihren Zeitpunkt und den (angeblich) entstandenen Schaden.
 
Allerdings führte der EGMR aus, dass der Zweck und Umfang des Durchsuchungsbeschlusses sehr weit war, denn er bezog sich auf Dokumente, Sparbücher, Schenkungsurkunden und Testamente. Um dies zu kompensieren, war es nach Auffassung des Gerichtes erforderlich, Sicherungsmechanismen einzubauen. Solche waren auch vorhanden: Es wurde eine Liste der beschlagnahmten Gegenstände erstellt, ein Vertreter der Anwaltskammer war anwesend und der Beschwerdeführer hatte ich Möglichkeit, die Zulässigkeit der Sichtung der Dateien gerichtlich überprüfen zu lassen. 
 
Allerdings war diese Möglichkeit nach Ansicht des Gerichtshofes nicht sehr effektiv. Denn das Gericht hatte nur eine kurze, sehr allgemein gehaltene Begründung gegeben, warum die Sichtung sämtlicher Unterlagen erforderlich gewesen sein sollte. Es hatte sich überhaupt nicht mit der Frage auseinandergesetzt, warum es nicht ausreichen sollte, lediglich die Dateien zu sichten, die mit R. und G. (den Personen, die im Durchsuchungsbeschluss genannt waren) zu tun hatten.
 
Daher sah sich der EGMR nicht in der Lage, zu überprüfen, ob die Durchsicht aller Dateien verhältnismässig gewesen war. Er stufte daher die Durchsuchung und Beschlagnahme als nicht „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ ein und stellte eine Verletzung von Artikel 8 EMRK fest.
 
Robathin gegen Österreich, Urteil vom 03.07.2012, Beschwerde Nr. 30457/06
 
 

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