• Zur Hauptnavigation springen
  • Skip to main content
The Business of Human Rights

Rechtsanwalt Holger Hembach

Beschwerde beim EGMR - Individualbeschwerden

  • Beschwerden beim EGMR
  • Rechtsanwalt
  • EMRK
    • Artikel 8 EMRK
    • Artikel 10 EMRK
    • Recht auf Eigentum nach Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK
    • Margin of appreciation (“Einschätzungsspielraum”)
  • Kosten
  • Blog
  • Buch
  • Kontakt
  • Show Search
Hide Search

Anti-Diskriminierung und AGG

 

1) Was ist Diskrimierung

a) Erläuterung

b) unmittelbare Diskriminierung

c) mittelbare Diskrimierung

2) Ist Diskrimierung rechtswidrig?

a) Allgemeines

b) Diskriminierungsverbot der EMRK

c) Diskrimierungsverbot auf EU-Ebene

3) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

 

1) Was ist Diskriminierung?

a) Erläuterung

Diskriminierung ist die unterschiedliche Behandlung von Menschen in vergleichbaren Situationen ohne rechtfertigenden Grund. Aus dieser Definition ergibt sich ein wichtiger Punkt bei der Prüfung von Fällen (angeblicher) Diskriminierung: Nicht jede Ungleichbehandlung vom Menschen ist diskriminierend. Tatsächlich werden Menschen ständig ungleich behandelt – und es gibt gute Gründe dafür. Beispielsweise dürfen Chirurgen Herzoperationen durchführen, Gas-und Wasser-Installateure aber nicht. Darin sieht niemand eine Diskriminierung von Klempnern, denn es gibt einen objektiven Grund, der die ungleiche Behandlung rechtfertigt.

Diskriminierend ist eine Ungleichbehandlung nur dann, wenn Menschen nicht aufgrund eines sachlichen Unterschiedes unterschiedlich behandelt werden, sondern wegen einer Eigenschaft, die diese Unterscheidung nicht rechtfertigt. Das gilt beispielsweise, wenn eine Person wegen ihres Geschlechts oder ihrer ethnischen Herkunft anders behandelt wird. Derartige Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung nicht rechtfertigen, bezeichnet man als „Schutzgründe“.

Es gibt im Wesentlichen zwei Formen von Diskriminierung:

  • Unmittelbare Diskriminierung
  • Mittelbare Diskriminierung

b) Unmittelbare Diskriminierung

Unmittelbare Diskriminierung bedeutet, dass eine Person direkt aufgrund eines “Schutzgrundes“ benachteiligt wird. Ein Beispiel wäre, dass eine Bewerberin aufgrund ihres Geschlechtes nicht eingestellt wird oder ein niedrigeres Gehalt bekommt als ihre männlichen Kollegen (wie man das im Einzelfall beweisen kann, ist eine andere Frage; dazu unten). Unmittelbare Diskriminierung ist also eine Ungleichbehandlung die direkt auf einen Schutzgrund zurückgeht.

c) Mittelbare Diskriminierung

Mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Maßnahme zwar äußerlich neutral ist, im Ergebnis aber eine bestimmte Gruppe stärker betrifft. Die Angehörigen dieser Gruppe werden dann im Ergebnis aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit benachteiligt. Ein Beispiel ist der Fall Schönheit, den der Europäische Gerichtshof entschieden hat: Die Rentenbezüge von Beschäftigten, die in Teilzeit gearbeitet hatten, wurden nach einer anderen Formel berechnet als die Rentenbezüge von früheren Vollzeitbeschäftigten. Die Bezüge der Teilzeitbeschäftigten waren also geringer als die der Vollzeitbeschäftigten, und zwar in größerem Maß als es sich durch die unterschiedliche Arbeitszeit erklärte. Diese Regelung galt sowohl für Männer als auch für Frauen. Eine direkte Diskriminierung las also nicht vor. Allerdings waren 88% der Teilzeitbeschäftigten Frauen, so dass Frauen stärker betroffen waren als Männer. Daher lag eine mittelbare Diskriminierung vor; die vordergründig geschlechtsneutrale Ungleichbehandlung der verschiedenen Arbeitnehmergruppen wirkte sich im Ergebnis vor allem auf Frauen aus.

2) Ist Diskriminierung rechtswidrig?

a) Allgemeines

Ja. Die Freiheit von Diskriminierung ist ein Menschenrecht. Der Bann von Diskriminierung ist eng mit der Menschenwürde verknüpft.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte besagt in Artikel 1, dass alle Menschen gleich an Würden und Rechten geboren sind. Artikel 2 stellt klar, dass jeder unabhängig von seiner Rasse, Hautfarbe, Religion, Herkunft usw. Anspruch auf die Rechte hat, die die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte garantiert.

Entsprechend dieser engen Verknüpfung mit Menschenrechten gibt es zahlreiche internationale Verträge und Konventionen, die Diskriminierung untersagen. Dazu gehören beispielsweise der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, die UN-Behindertenrechtskonvention oder die UN-Rassendiskriminierungskonvention.

Für Europa und Deutschland besonders wichtig sind die EU-Grundrechtecharta und die Europäische Menschenrechtskonvention.

b) Diskriminierungsverbot der EMRK

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verbietet Diskriminierung in Artikel 14. Nach dieser Vorschrift müssen Vertragsstaaten die Rechte, die in der EMRK festgeschrieben sind, für alle gewährleisten – „ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status“. Daraus ergibt sich eine wichtige Einschränkung: Die EMRK verbietet Diskriminierung nicht allgemein, sondern lediglich bezüglich der Rechte, die in der Konvention garantiert sind. Wer sich auf Artikel 14 der EMRK berufen möchte, muss ein Recht finden, in Bezug auf dessen Gewährung er benachteiligt worden ist.

Weiter geht das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK. Es etabliert ein allgemeines Diskriminierungsverbot, untersagt Diskriminierung also nicht zur in Bezug auf den Genuss der Rechte, die die EMRK garantiert. Allerdings haben nicht alle Vertragsstaaten der EMRK dieses Zusatzprotokoll unterschrieben und ratifiziert. Deutschland hat es zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert; das gleiche gilt für Österreich. Die Schweiz hat weder unterschrieben noch ratifiziert.

c) Diskriminierungsverbot auf EU-Ebene

Auch auf EU-Ebene gibt es zahlreiche Regelungen gegen Diskriminierung. Grundlegend ist hier die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (oder EU-Grundrechtecharta). Der dritte Titel dieser Charta trägt die Überschrift „Gleichheit“. Hier ist das Verbot in Artikel 21 festgeschrieben: Niemand darf diskriminiert werden, insbesondere nicht wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen und sozialen Herkunft und einiger anderer Merkmale, die die Vorschrift benennt.

Daneben garantiert die EU-Grundrechtecharta die Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 20), verweist darauf, dass die Gleichheit von Frauen und Männern herzustellen ist (Artikel 23) und auf die Rechte älterer Menschen, die Integration von Menschen mit Behinderung und die Rechte von Kindern.

Die EU-Grundrechtecharta bindet sämtliche staatlichen Organe aller Mitgliedsstaaten der EU. Allerdings gilt diese Bindung nur, soweit sie sich auf die Umsetzung von EU-Recht bezieht.

Darüber hinaus gibt es verschiede EU-Richtlinien, die Diskriminierung jeweils in bestimmten Bereichen verbieten. Ein Beispiel ist die Richtlinie 2000/43/EG, die Diskriminierung wegen der Rasse oder ethnischen Herkunft verbieten soll (vgl. dazu den Fall CHEZ Razpredelenije hier) oder die Richtlinie 2000/78/EG gegen Altersdiskriminierung (vgl. dazu den Fall J.J. Lange hier).

Obwohl diese Themen dieser Richtlinien auch in der EU-Grundrechtecharta angesprochen sind, sind die Richtlinien nicht überflüssig. Die Grundrechtecharta bindet nämlich nur Staaten (und selbst diese, wie gesagt, nur in einem Teilbereich ihrer Tätigkeit, nämlich bei der Anwendung von EU-Recht). Diskriminierung kommt aber nicht nur im Verhalten des Staates gegenüber seinen Bürgern vor, sondern besonders häufig im Verhältnis von Unternehmen zu Privatpersonen. Bewerber werden nicht eingestellt, weil sie behindert sind oder einen Migrationshintergrund haben, Besucher kommen nicht in eine Diskothek, weil sie schwarz sind.

Die Richtlinien zur Gleichbehandlung verpflichten daher Mitgliedsstaaten der EU dazu, Gesetze gegen Diskriminierung in zwei wichtigen Bereichen zu erlassen: Dem Arbeitsrecht und in bestimmten Teilen des Zivilrechts.

3) Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Um dieser Verpflichtung gerecht zu werden, hat Deutschland 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Kraft gesetzt.  Es soll die Benachteiligung aufgrund er Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern (§ 1 AGG).

Das AGG gilt dabei einerseits im Bereich der Beschäftigung. Es verbietet also Diskriminierung aus den vorgenannten Gründen beispielsweise bei der Entscheidung über die Einstellung von Bewerbern, bei der Entlohnung, bei Entscheidungen über die Bedingungen für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen oder beim Zugang zu Berufsberatung.

Andererseits gilt das AGG bei sogenannten zivilrechtlichen Massengeschäften. Das Gesetz beschreibt diese als Verträge, die typischerweise in einer Vielzahl von Fällen zustandekommen und bei denen das Ansehen der Person eine geringe Bedeutung hat (§ 19 AGG).

Damit sieht das Gesetz eine wichtige Ausnahme von einem Grundsatz des deutschen Schuldrechts vor. Normalerweise steht es jedem frei, zu entscheiden, ob er einen Vertrag abschließen möchte, mit wem und zu welchen Bedingungen. Das bezeichnet man als „Privatautonomie“. Danach hätte jeder auch die Möglichkeit, sich zu weigern, keine Verträge mit Personen einer bestimmten Herkunft zu schließen. Das AGG sieht von diesem Grundsatz eine Ausnahme vor, wenn eben kein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien erforderlich ist. In diesem Bereich ist eine Differenzierung auf Grundlage der Eigenschaften, die das Gesetz nennt (Herkunft, Geschlecht usw.). Der Bäcker kann also nicht den Verkauf der Brötchen verweigern, weil der Kunde aus einem Land kommt, dessen Bewohner ihm allgemein unsympathisch sind.

 

 

 

Rechtsanwalt Holger Hembach